Gepflegte Korruption

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ANALYSE. Sebastian Kurz hat Transparenz und Sauberkeit angekündigt, wird seinen Wahlversprechen jedoch nicht gerecht. Damit handelt er sich bleibende Probleme ein.

Noch vor der Sommerpause werde es einen Entwurf zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses geben, erklärte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Am 8. Juli 2020. Heute, gut ein Jahr später, ist noch immer nichts beschlossen: Es hat zwar ein Begutachtungsverfahren gegeben, schon die damit einhergehenden Vorschläge ließen jedoch Schlimmeres befürchten. Aus einem Amtsgeheimnis mit Ausnahmen könnte demnach eine Informationsfreiheit mit so großen Beschränkungen werden, dass sich letztlich gar nichts ändert. Edtstadler selbst bekräftige solche Befürchtungen (unfreiwillig), indem sie den Gemeinden etwa versicherte, dass sie nicht mit „überbordenden Anfragen“ konfrontiert werden sollen. Sprich: Es soll ganz offensichtlich dafür gesorgt werden, dass der Staat gegenüber dem Bürger geschützt bleibt – nicht umgekehrt.

Dieser Zugang ist bezeichnend und bemerkenswert zugleich: Transparenz lässt in zu vielen Bereichen zu wünschen übrig. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist 2017 mit dem Versprechen angetreten, das zu ändern. Dazu gekommen ist es nicht. Dabei hätte Kurz mehr denn je Gründe, dafür zu sorgen. Intransparenz schafft Räume für Spekulationen, aber auch Korruption. Und zwar Korruption nicht nur in einem strafrechtlichen Sinne, sondern in einem politisch relevanten, weit darüber hinausgehenden.

Insofern kann man sich wundern, dass Kurz und die ÖVP hier keinen Akt der Befreiung setzen, dass sie nicht in die Offensive gehen. So nehmen sie in Kauf, mit immer neuen Affären konfrontiert zu werden. These: Sie sind zu sehr verfangen in den bestehenden Verhältnissen, würden sich das Leben durch ein solches im Licht selbst, aber auch ihren Leuten in Kammern, Ländern und eben Gemeinden schwerer machen; sie könnten vieles nicht mehr so tun, wie sie es zu tun pflegen – von Auftragsvergaben bis Postenbesetzungen.

Wohl keine Korruption im strafrechtlichen, jedenfalls aber im politischen Sinne ist jene, die über Inserate läuft: „Mit Geben und Entziehen von aus Steuergeld finanzierten Inseraten werden Medienunternehmen belohnt, sediert oder bestraft“, berichtet Host Pirker von der Verlagsgruppe News (VGN) von einer Praxis, wie er sie erfährt.

Demokratiepolitisch ist das sogar schwere Korruption: Hier geht es darum, sich Berichterstattung und damit auch öffentliche Meinung zu richten. Gerade in der Krise ist das doppelt verwerflich: Medien sind mehr denn je abhängig von Inseraten; verantwortliche Politiker kämpfen mehr denn je gegen den Absturz von Umfragewerten. „Message Control“ wird unter diesen Umständen zur größtmöglichen Bedrohung. Saubere, nachvollziehbare Regelungen und Mechanismen, nach denen Inserate vergeben werden, wären daher jetzt erst recht gefragt. Ganz egal, um wen es hier geht, für das Kanzleramt gilt das genauso wie für die Stadt Wien, die sich ebenfalls ein üppiges Informations- und Propagandabudget leistet.

Das Finanzministerium hat die Darstellung von Pirker, wonach Inserate wegen eines kritischen ÖVP- und Sebastian Kurz-Artikels („So mies geht’s Türkis“) gestoppt worden seien, zurückgewiesen. Wenige Tage später ließ der ÖVP-Fraktionschef im Ibiza-U-Ausschuss, Andreas Hanger, auf einer Pressekonferenz jedoch tief blicken: Der Niederösterreicher griff Florian Klenk vom „Falter“, der sich keiner „Message Control“ unterwirft, persönlich an und meinte, seine Doppelrolle als Medieneigentümer und Chefredakteur sei zu hinterfragen. Das ist eine Drohung – auch wenn der „Falter“ ohnehin eher Inserate von der Stadt Wien als von türkisen Ministerien sowie dem Bundeskanzleramt erhält. Es reicht, wenn die Zeitung öffentlich diskreditiert wird und etwa von Informationen von allgemeinem Interesse abgeschnitten werden würde; da gibt es mehr als genug Potenziale.

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