Warum VdB kein Vorbild ist

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ANALYSE. Der Bundespräsident hat gezeigt, wie man in Österreich auch zu einer Mehrheit kommen kann. Doch ÖVP und SPÖ sind weit davon entfernt, sich daran zu orientieren.

Auf den ersten Blick wirkt es seltsam: Alexander Van der Bellen hat bei den Bundespräsidenten-Wahlen 2016 und 2022 gezeigt, wie man in Österreich auch zu einer Mehrheit kommen kann: Mit einem klaren Bekenntnis zu Menschenrechten sowie zur europäischen Integration beispielsweise.

Ja, sogar als langjähriger Grüner sind mehr als 50 Prozent möglich. Hier jedoch wird’s schon relativ: Van der Bellen hätte das kaum geschafft, wenn er in Begleitung einer Blasmusikkapelle in Wahlkampfzeiten nicht zugleich auch Heimatliebe demonstriert hätte. Das war ein Signal an Menschen, die sich einer Mitte der Gesellschaft zuordnen – und die nie im Leben grün wählen würden.

Dennoch: Warum verzichten die traditionellen Volksparteien ÖVP und SPÖ darauf, sich Van der Bellen zum Vorbild zu nehmen? Warum zieht es die ÖVP etwa vor, Maß an der FPÖ zu nehmen?

Bei der Bundespräsidenten-Wahl im vergangenen Jahr hat nur gut die Hälfte der ÖVP-Wähler:innen von der Nationalratswahl 2019 Van der Bellen ihre Stimme gegeben. Ein Viertel unterstützte die rechts der Mitte stehenden Mitbewerber Walter Rosenkranz (FPÖ) und Tassilo Wallentin. Das war sozusagen eine Spätfolge Sebastian Kurz’scher Ausrichtung der Partei. Er hat Freiheitliche umworben und gewonnen. Für eine Partei, die sich an Van der Bellen orientiert, wären sie nicht zu haben.

Natürlich könnte die ÖVP trotzdem beschließen, einen pro-europäischen Kurs einzuschlagen, Weltoffenheit zu zeigen und christlich-soziale Politik zu betreiben. Auch wenn es anspruchsvoll ist. In jeder Hinsicht: Je nach Fragestellung hätte die Partei auf diesem Feld gleich zwei Konkurrenten. Nämlich Neos und Grüne. Sie bestehen zu einem erheblichen Teil aus ehemaliger ÖVP-Klientel.

Für die Volkspartei ist es im Sommer 2023 ohnehin aber schon fünf nach zwölf, sind solche Überlegungen müßig: Die nächste Nationalratswahl ist zu bald. Wenn, dann bietet sich eine Möglichkeit dazu erst nach einer Wahlniederlage und in der Verbindung mit der Notwendigkeit an, sich in der Opposition inhaltlich wie personell neu aufzustellen – im Wissen, dass sehr wahrscheinlich mehrere Jahre Zeit dafür vorhanden sind.

Und was ist mit der SPÖ? Sie hat zwar einen neuen Vorsitzenden, befindet sich jedoch trotzdem in einer Art Selbstfindungsprozess: Während Van der Bellen bei den Bundespräsidenten-Wahlen darauf geachtet hat, wie er eine breite Mitte gewinnen könnte, hat es Andreas Babler zunächst eher nur geschafft, SPÖ-Anhänger zu begeistern. Und zwar explizit mit linken Ansagen, die bei ihnen gut ankommen. Das hat ihm den Vorsitz gebracht.

Umso schwieriger wird die Übung für Babler, sich als Kanzlerkandidat zu präsentieren, der auch über die SPÖ hinaus ankommt. Das ist eine andere Aufgabe. Dafür muss er erst ein Programm entwickeln. Doch davon ist er noch weit entfernt: Vorerst ist er damit beschäftigt, Forderungen zu relativeren. Von Tempo 100 bis zur Doch-nicht-Koalitionsbedingung Vermögenssteuer. Wobei er noch viel zu tun hat. Zu seinen Aussagen zur EU etwa (u.a. „Schlimmer als die NATO“) hat er noch wenig bis nichts geliefert, was Menschen überzeugen könnte, die proeuropäisch ticken.

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