Roter Frust

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ANALYSE. Magere Umfrageergebnisse nähren Zweifel, dass das mit Andreas Babler für die SPÖ noch etwas werden kann. Wichtiger sind jedoch Antworten auf die Frage, warum er bisher nicht abhebt.

Natürlich ist die Aussagekraft von Meinungsumfragen, die noch dazu außerhalb von Wahlkampfzeiten durchgeführt werden, von begrenztem Wert. Einerseits. Andererseits sickern sie und führen etwa zu Leitartikeln wie jenem im „Standard“, der in Bezug auf die SPÖ den Titel trägt: „Der rote Populismus in der Teuerungsdebatte ist gescheitert“. Wer Proteststimmung schüre, wie es die Partei unter Andreas Babler tue, der zahle auf das Konto der Freiheitlichen ein. Das würden Umfrageergebnisse nahelegen, so die linksliberale Zeitung. Zur Erinnerung: Die FPÖ bleibt vorne, die SPÖ ist jüngst eher sogar hinter die ÖVP zurückgefallen.

Für die Sozialdemokratie ist die Dynamik, die da entstehen könnte, gefährlich: Es geht sich ja nicht einmal das aus, was früher als „Große Koalition“ bezeichnet wurde. Mit Babler scheint vorerst kein Moment einhergegangen zu sein, wie es von Teilen der Partei erhofft worden ist. Nämlich eine Art Wendestimmung zu ihren Gunsten bzw. gegen die FPÖ. Was läuft falsch?

Erstens: Babler hat kein Programm für Österreich. Seine Anhänger werden jetzt auf das Programm verweisen, mit dem er in die Mitgliederbefragung über den SPÖ-Vorsitz gezogen ist. Das reicht jedoch nicht. Dieses Programm und mehr noch die Ansagen, die er damals tätigte, waren an Genossinnen und Genossen gerichtet und haben viele von ihnen auch begeistert. Was an die Adresse einer Masse darüber hinaus fehlt, ist eine Erzählung wie „Wir bringen unser Land sozial gerecht nach vorne.“

Zweitens: Babler überschätzt möglicherweise, dass er mit Forderungen zur Teuerung, aber auch Botschaften gegen Reiche, größeren Zuspruch erlangen könnte. These: Hier geht es eher um Leute, die bei der nächsten Wahl zu Hause bleiben oder Kickl wählen, die er also nicht gewinnen kann.

Drittens: Babler konzentriert sich ganz auf Menschen, die sich schwertun, über die Runden zu kommen. Abgesehen davon, dass für viele von ihnen gilt, was unter Zweitens angeführt ist, nimmt er damit jedoch in Kauf, eine Mehrheit nicht anzusprechen. 60, 70 Prozent nehmen die Teuerung wahr, kommen aber zurecht damit. Es sind dies unter anderem auch Leute, die Alfred Gusenbauer mit der „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ umworben hat oder junge Unternehmerische, die Christian Kern im „Plan A“ im Auge hatte. Babler hat nichts für sie. Dabei ist ihre Zahl vor allem auch in den urbanen Räumen erheblich.

Viertens: Babler hat sich verzettelt. Beispiel: Sein Bekenntnis zu „Tempo 100“ auf Autobahnen mag inhaltlich vernünftig sein. Es widerspricht aber dem Ziel, Kickl Wähler abzunehmen. Damit hat er sie abgeschreckt.

Fünftes: Weil schon wieder von Kickl die Rede ist – sein derzeitiger Erfolg beruht auf einer Grundstimmung gegen Parteien und Politiker. Sie ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Schon Sebastian Kurz redete daher lieber von einer Bewegung und tat so, als sei er kein Politiker. Das ist ein demokratiepolitisches Problem. Wer sich zu einer starken Parteiendemokratie bekennt und stolzer Berufspolitiker ist, tut sich hier zunehmend schwer. Blender und Populisten erfahren dagegen eher wachsenden Zuspruch. Babler wird das wissen. Er kann dem jedoch nicht gerecht werden.

Sechstens: Insofern würde er auch nicht weit kommen, wenn er sich Migrationsthemen widmen würde, wie manche Kommentatoren meinen.

Siebtens: Der Mann ist in der SPÖ sehr einsam. Kaum ein Landesparteivorsitzender steht wirklich an seiner Seite. Wiens Bürgermeister zeigt sich zwar fröhlich beim Würstelessen mit ihm, nicht zuletzt aber eher, um Hans Peter Doskozil zu demütigen und jüngeren in der Partei zu signalisieren, wo er ist. Inhaltlich hat er mit Babler wenig am Hut: Dessen Klimapolitik endet für ihn beim Lobautunnel; die basisdemokratischen Ansätze lehnt er ab; von Einschnitten bei bei den Inseraten, mit denen laut Babler Macht organisiert wird, will er nichts wissen; ernsthafte Informationsfreiheit ist ihm kein besonderes Anliegen. Sprich: Ludwig widerspricht Wesentlichem, was den Kurs des SPÖ-Vorsitzenden ausmacht.

Achtens (oder ergänzend zu Siebtens): In der SPÖ sind noch immer Pragmatiker vorherrschend, die im Unterschied zu Babler der festen Überzeugung sind, dass es nur eine realistische Option gibt, auf Bundesebene jemals in eine Regierungsbeteiligung zurückzukehren. Durch eine Koalition mit der ÖVP nämlich. Daher pflegen sie von vornherein eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, fordern zwar eine Vermögenssteuer, bleiben diesbezüglich aber betont zurückhaltend. Einschub: Das könnte nebenbei sogar vielen Menschen recht sein. Sie scheuen Konflikte, lieben den Ausgleich. Auch wenn das auf Kosten von Dingen geht, die sie grundsätzlich mit großer Mehrheit unterstützen.

Neuntens: Die Basisbewegung, die Babler zum Vorsitz verholfen hat, bringt ihm jetzt kaum etwas. Er müsste eine Massenbewegung zusammenbringen, die mit der SPÖ nichts zu tun hat und die eben zu steigenden Umfragewerten führt.

Zehntens: Bessere Umfragewerte bleiben – bei aller Problematik, die damit einhergeht – das einzige, wodurch er in absehbarer Zeit einen messbaren Erfolg zum Ausdruck bringen und vor allem auch Skeptiker in den eigenen Reihen überzeugen oder zum Schweigen bringen könnte; bis hin zu Hans Peter Doskozil. Wie und mit wem er das Kanzleramt zurückerobern könnte, ist ihnen (ziemlich) egal, Hauptsache, er schafft es. Doch davon ist er eben weit entfernt.

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