Rendi-Wagners Nicht-Politik

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ANALYSE. Es wäre eine Überraschung, könnte sich die SPÖ-Vorsitzende bei der Mitgliederbefragung durchsetzen. Mitbewerber Babler hat, was ihr fehlt und wonach sich Teile der Partei sehnen.

Es kommt nicht irgendwoher, dass bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im österreichischen Parlament mehr als die Hälfte der sozialdemokratischen Abgeordneten fehlte. Und dass eine dieser Mandatarinnen, Petra Tanzler, hinterher auf Anfrage der Wiener Stadtzeitung „Falter“ von einem „kriegführenden Staatschef“ sprach, der angeblich Phosphatbomben einsetzen lasse, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Das Ganze zeugt von umfassender Orientierungslosigkeit einer Partei. Und das trifft Rendi-Wagner in diesem Fall gleich doppelt, ist sie doch Vorsitzende und außenpolitische Sprecherin, die Inhalte aber eben sträflich vernachlässigt.

Die SPÖ-Vorsitzende gehört zu denen, die von Neutralität reden und die immer wieder ihrer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Waffen in der Ukraine bald schweigen mögen. Das Problem ist, dass Neutralität – wenn schon, denn schon – zu aktiver Außenpolitik verpflichten würde, wie es im sozialdemokratischen Wahlprogramm 2019 sogar wörtlich heißt. Und dass eine solche gerade jetzt, wo es darauf ankommen würde, von ihr nicht im Entferntesten betrieben wird.

Genauer: Die sogenannte Außen- und Neutralitätspolitik von ÖVP und FPÖ bedeutet nicht, dass die SPÖ keinen höheren Ansprüchen gerecht werden könnte, ja müsste. Auch wenn die Verhältnisse verfahren sind und es herausfordernd ist, aufzuzeigen, welchen Beitrag ein neutrales Land zur Beendigung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ebenso leisten könnte wie zur längerfristigen Gewährleistung der Sicherheit Europas. Dazu wären Antworten gefragt.

Hier wird Rendi-Wagner eine Art Nicht-Politik zum Verhängnis: Ihre Politik beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den Stil der FPÖ und eine Koalition mit dieser auszuschließen. Das ist zu wenig: Es reicht nicht, bei Herausforderungen wie der Teuerung nur ein Entlastungspaket nach dem anderen zu fordern. Es wäre zum Beispiel auch nötig, neue Formen der Besteuerung und der Existenzsicherung zu skizzieren; oder eine Vorstellung für die Zukunft (zum Beispiel) Europas zu präsentieren.

Es kommt nicht irgendwoher, dass die eingangs erwähnte Abgeordnete Petra Tanzler als Bildungssprecherin der SPÖ bisher weitgehend unbekannt war: Schule ist kein Thema mehr für die Sozialdemokratie. In Tirol hat die Partei bei ihrer Regierungsbeteiligung im Herbst nicht einmal aufgegriffen, was ihre Vorgänger an der Seite der bestimmenden ÖVP, die Grünen, in den vergangenen Jahren angegangen waren mit dieser; eine Gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen nämlich.

Anton Pelinka sieht bei der SPÖ schon lange nur noch Taktik, die auf die nächste Wahl ausgerichtet ist. Bei Rendi-Wagner hieß das, allein darauf zu setzen, dass die ÖVP nach Sebastian Kurz weg ist vom Fenster und sich die Freiheitlichen nicht erholen von ihrer „Ibiza-Krise“. Das ist danebengegangen.

Diese Nicht-Politik erklärt auch, warum einer wie Andreas Babler bei Teilen der Partei so gut ankommt, dass es ihm gelingen könnte, bei der Mitgliederbefragung um den Vorsitz nicht nur besser abzuschneiden als Hans Peter Doskozil, sondern vor allem auch besser als Pamela Rendi-Wagner: Er brennt für eine linke Politik, nach der sich viele Genossen sehnen. Und das scheint nicht wenigen zunächst sogar wichtiger zu sein als die Aussicht auf eine Regierungsmehrheit mit einer solchen Ausrichtung. Sie dürfte im Moment eher sehr klein sind. Ganz nüchtern betrachtet.

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