Kickl und die Einheitspartei

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef tut als gebe es ein Mehrheitswahlrecht. Signal: Er pfeift auf eine Regierungsbeteiligung. Vorerst.

Gut ein dutzend Mal hat FPÖ-Chef Herbert Kickl in seiner Rede zum 1. Mail von der Einheitspartei bzw. den Einheitsparteien gesprochen. Damit gemeint sind alle anderen. Was er damit bezweckt, ist klar: Ziel ist es, all jene zu vereinnahmen, die über die politischen Verhältnisse frustriert oder enttäuscht sind; die keiner Partei mehr zutrauen, auch nur Rahmenbedingungen für ein gutes Leben herstellen zu können. Ja, die mit „dem System“ abgeschlossen haben.

Kickl weiß, dass diese Leute sehr unterschiedlich ticken und dass seine Monopolstellung hier nicht sicher ist. In der Pandemie ist kurz eine Impfgegnerpartei aufgekommen; das war eine gefährliche Konkurrenz für ihn. Bei der Bundespräsidenten-Wahl gab es neben FPÖ-Mann Walter Rosenkranz gleich mehrere ähnlich ausgerichtete Kandidaten, die diesem wehtaten. Sogar Dominik Wlazny, der eher links der Mitte steht (soweit man das beurteilen kann), setzte diesem zu. Jede achte Wlazny-Stimme kam von einer Person, die 2019 freiheitlich gewählt hatte.

Kickl nimmt das ernst und agiert hemmungslos demokratiefeindlich bzw. autoritär: Er stellt sich als Volkskanzler dar und transportiert damit die Behauptung, der Einzige zu sein, der im Sinne „des“ Volkes agiere. Und er stellt alle übrigen Parteien als Volksverräter und Vertreter einer Einheitspartei dar, womit er unterstreicht, was er mit seinem Kampf gegen „das System“ meint: Es ist ein Kampf gegen die pluralistische Demokratie, gegen Parteien – also Teile eines Ganzen.

Dazu passt, dass der Mann seinen Anhängern vermittelt, Österreich habe ein Mehrheitswahlrecht, das dazu führt, dass der Gewinner absolut regiert. Zitat aus seiner Mai-Rede: „Das geht so weit, dass dann bei Wahlergebnissen, die der Einheitspartei nicht passen, für sie auch gleich die Demokratie nicht mehr gilt. Wenn die FPÖ Erster wird, dann sagen sie, dass alle anderen gemeinsam gewonnen haben. Das wäre so, als würden die anderen Mannschaften dem Sieger einer Fußballmeisterschaft gegenüber behaupten, sie hätten gewonnen, weil sie zusammen mehr Tore geschossen hätten. Wahlen sind aber das Herzstück der Demokratie und sind dazu da, um festzustellen, welche Partei die größte Unterstützung der Wähler, also des Souveräns, hat!“

Das ist Unsinn hoch x. Österreich ist noch immer so verfasst, dass sich eine Partei, die zwar Erste wird, aber nur eine relative Mehrheit hat, mit ein, zwei anderen arrangieren muss, um gemeinsam mit diesen zu einer absoluten Mehrheit zu gelangen. Womit sich auch dieser seltsame Fußballvergleich disqualifiziert. Der Souverän ist zudem die Summe von vielen unterschiedlichen Bürgerinnen und Bürgern. Das unterschlägt Kickl so sehr, wie er es tut, wenn er von einem Volk spricht. Womit er zum Ausdruck bringt, dass er Demokratie schlicht ablehnt. Dass er eben die Absicht hat, ein Führer zu werden, der auf niemanden Rücksicht nehmen muss.

Es ist bemerkenswert, wie sehr das alles von politischen Mitbewerbern ignoriert wird. Wie wenig Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung dazu erfolgt. Daran, dass es sich zum Beispiel Türkise mit blauen Wählern nicht verscherzen wollen, um sie vielleicht doch noch überzeugen zu können, kann es kaum liegen. Immerhin könnte man ja auch vermitteln, dass Kickl gar nicht in einem Geist regieren möchte, der der parlamentarischen Demokratie mit ihrem Verhältniswahlrecht entspricht. Dass er sich darüber hinwegsetzen will.

Das Kalkül von Kickl ist ein knallhart-berechnendes: Er kann nur klar Erster werden, wenn er so extrem polarisiert. Vorerst wird es so vielleicht nichts mit einer Kanzlerschaft. Wenn multiple Krisen andauern und vor allem die rechts der Mitte stehende ÖVP nicht auf die Beine kommt, liegt das Potenzial für seine FPÖ auf Dauer jedoch weit über 30 Prozent.

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