Keine Schranken für die FPÖ

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ANALYSE. Wie schon Haider, Strache und andere Parteikollegen darf sich Kickl verhängnisvollerweise darauf verlassen, nicht geächtet zu werden.

Gewisse Prinzipien sind in Österreich nicht selbstverständlich. Respekt gegenüber staatlichen Organen beispielsweise (was keinesfalls mit Kritiklosigkeit verwechselt werden darf). Oder eine Absage an jede Form von Wiederbetätigung und Antisemitismus. Beides zusammen erklärt, dass FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl nichts daran findet, auf einer öffentlichen Versammlung von „Corona-Stahlhelmen in den Regierungsbüros“ zu sprechen; und dass er kein sichtbares Problem damit hat, Kopf einer Bewegung zu sein, der ein Gottfried Küssel angehört sowie ein Mob, aus dem in der Wiener Leopoldstadt „Sieg Heil“-Rufe gekommen sind und von dem ein Teil wiederum ein Versicherungsbüro gestürmt hat.

Hier wäre dieses „Wehret den Anfängen“ angebracht, das Ex-ÖVP-Minister Franz Fischler vor wenigen Tagen den türkisen Angriffen auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft entgegengesetzt hat: Wenn das möglich ist, geht noch viel mehr. Zumal sich ein Mob dadurch kennzeichnet, dass er vollkommen unberechenbar ist.

Das Verhängnisvolle ist, dass die FPÖ hier nicht in die Schranken gewiesen wird: Sie kann sich letzten Endes noch immer auf die ÖVP verlassen, mit der zusammen sie weiterhin eine parlamentarische Mehrheit bildet. Eine „Hooligan-Mentalität“, die zu Gewalt und einem schwer verletzten Wachmann führt, sei „inakzeptabel“, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz zwar; und: „Es widert mich an. So etwas sollte in Österreich keinen Platz haben.“

Diese „Sollte“ ist jedoch bezeichnend: Es ist genauso belanglos wie das „Anwidern“. Der Punkt ist: Darf es einen Platz haben und wird es geduldet? Beides muss man mit „ja“ beantworten. Allein machtpolitische Überlegungen entscheiden darüber, wie die ÖVP zur FPÖ steht. In den 1990er Jahren ist sie – unter Jörg Haider – vom damaligen ÖVP-Klubobmann Andreas Khol außerhalb eines Verfassungsbogens verortet worden, 2000 hat die ÖVP trotzdem eine Regierung gebildet mit ihr. Keine blaue Kurskorrektur hat das möglich gemacht, sondern schwarzer Opportunismus.

2019 hat Sebastian Kurz die Freiheitlichen nicht wegen der unzähligen sogenannten „Einzelfälle“ aus der Regierung geworfen; er hat vielmehr nur die Gelegenheit „Ibiza“ und günstige Umfragewerte dazu genützt, es auf einem grandiosen Wahlerfolg auf Kosten ebendieser Freiheitlichen anzulegen.

Bei den Freiheitlichen hat sich nichts geändert. Hebert Kickl ist (da facto) an die Stelle von Heinz-Christian Strache getreten; inhaltlich ist jedoch alles beim Alten geblieben. (Nachsatz: Sie haben sich ja auch nicht ändern müssen, selbst im Nationalratswahlkampf 2019 ließ die ÖVP eine Fortsetzung der Koalition mit ihnen offen.)

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schließt eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen aus. Hans Peter Doskozil tut es nicht. Immerhin aber kann sich Rendi-Wagner in dieser Frage der Unterstützung durch Wiens Bürgermeister Micheal Ludwig gewiss sein. Das aber ist nicht der Grund, weshalb Sozialdemokraten hier ins Spiel kommen. Es geht darum, dass sie entscheidende Beiträge zu Entstehung und Entwicklung der FPÖ geleistet haben: Das anfängliche Kalkül, dass die FPÖ der ÖVP Stimmen wegnehmen könnte, ließ sie darüber hinwegblicken, wie die FPÖ in ihrem Innersten tickt (siehe dieses Kapitel hier etwas näher ausgeführt). Bruno Kreisky hatte später kein Problem damit, seine Minderheitsregierung durch Freiheitlichen ermöglichen zu lassen und mit Otto Rösch etwa einen ehemaligen Nationalsozialisten (als Innenminister) ins Kabinett zu holen.

These: Auch das waren Beiträge dazu, dass unheilvolle Kräfte nachgerade selbstverständlich geworden sind in der Zweiten Republik. Franz Vranitzky hat sich dagegengestellt, Rendi-Wagner tut es heute. Zu große Teile der österreichischen Politik halten sich eine Zusammenarbeit mit dieser FPÖ jedoch offen – und stärken damit letzten Ende auch Kickl und seine Methoden.

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