Grüne geben es zu billig

-

ANALYSE. Nicht nur Ukraine-Krieg und Energiekrise setzen der Partei zu, die einst auch aus Friedens- und Ökobewegungen entstanden ist. Sie hat schon auch selbst ein Problem.

Der deutsche Grünen-Politiker Robert Habeck als Wirtschaftsminister in Katar, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, um einen Erdgasdeal auszuhandeln: Das ist schon ein bisschen heftig. Zumal er bei alledem „erstaunlich beschwingt“ gewirkt habe, findet die SZ, es sei „nur schwer erträglich“. Vieles ist durcheinander gekommen. Auch in Österreich: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ärgert sich, dass die Sprit- nicht zeitnah zu den Rohölpreisen sinken. Angesichts einer zunehmenden Schere reicht es ihm nun: Auf Twitter verkündete er, sich mit einer Sachverhaltsdarstellung an die Bundeswettbewerbsbehörde gewendet zu haben: „Die unabhängige Behörde untersucht jetzt den Treibstoffmarkt.“

Und so weiter und so fort: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) präsentierte am Sonntagnachmittag gemeinsam mit ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner ein Paket zur Abfederung hoher Energiepreise, das weder ökologisch noch sozial treffsicher ist (sondern eher das Gegenteil davon).

Haben sich die Grünen aufgegeben? Man muss ein paar Dinge auseinanderhalten. Zunächst gibt es zumindest Nachvollziehbares. Habeck hat in den vergangenen Wochen beispielsweise immer wieder gewarnt, dass Gasknappheit zu sozialen Verwerfungen führen könnte. Kleine Leute hätten das größte Problem (neben der Industrie, für die die Produktion nicht mehr rentabel wäre). Das Ökologische tritt in diesem Zusammenhang also in den Hintergrund.

Gewessler und Kogler sind nicht zuletzt auch von der Sorge getrieben, dass hohe Preise für fossile Energieträger den Druck erhöhen, die CO2-Abgabe, die mit 1. Juli kommt, zu streichen. Zu ihrer Rettung nehmen sie das zweifelhafte Abfederungspaket hin. Ober kämpfen eben, wie Vertreter einer Autofahrerpartei, gegen die bestehenden Spritpreise.

Angesichts der zunehmenden Schere zwischen Rohöl- und Treibstoffpreisen habe ich mich mit einer Sachverhaltsdarstellung an die Bundeswettbewerbsbehörde gewandt. Die unabhängige Behörde untersucht jetzt den Treibstoffmarkt. (1/2) pic.twitter.com/aq3BuvnJ2v

— Werner Kogler (@WKogler) March 21, 2022

Andererseits ist das alles schon auch sehr defensiv angelegt: Gemessen an der Kaufkraft sind Benzin und Diesel in Österreich noch immer günstig im internationalen Vergleich. Im Sinne des Klimaschutzes könnte man sagen, sie seien nach wie vor zu niedrig. Zumindest SUV-Besitzer, die eher mehr Geld haben, werden kaum so weit gebracht, sich zu überlegen, ob sie (aus finanziellen Gründen) mit der Bahn oder mit dem Auto von Wien nach Bregenz fahren sollen.

Das Problem der Grünen ist, dass sie derlei nicht mehr auszusprechen wagen. Sie haben gelernt, sich in der Koalition mit kleinen Kompromissen (wie der ökosozialen Steuerreform) zufriedenzugeben. Sie begnügen sich damit, ebendiese zu verteidigen.

Damit schwächen sie sich selbst. Erstens: Die machterfahrene ÖVP hat das längst durchschaut. Sie fordert das Doppelte, um durchzubringen, was sie erreichen möchte. Sie lässt eine (zunächst) kleine CO2-Bepreisung zu, sorgt aber dafür, dass ein größerer Klimabonus kommt und das Pendlerpauschale bleibt bzw. nun sogar um die Hälfte erhöht wird. Es ist absurd.

Zweitens: Die türkis-grüne Koalition ist ein Auslaufmodell. Nach der nächsten Wahl wie sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausgehen. Derzeit halten die beiden Parteien zusammen gerade einmal 34 Prozent. Viel eher Angst vor einem Urnengang müsste aber die ÖVP haben. Vor diesem Hintergrund könnten Kogler und Co. selbstbewusster agieren.

Sie hätten, wenn sie nun schon einen dritten Gesundheitsminister aufstellen mussten, einen Neustart in der Coronapolitik verlangen können. Und zwar in der Form, dass die Bundes-ÖVP, aber auch die türkisen Landeshauptleute, durch ein gemeinsames Grundsatzprogramm zur Bewältigung der Pandemie in die Pflicht genommen werden. Es hätte nicht verhindert, dass Johannes Rauch durch diverse Quertreiber aufgerieben wird, es wäre aber ein Signal gewesen, dass man sich das nicht mehr einfach so bieten lässt.

Und sie hätten nun bei den Energiepreisen allemal darauf bestehen können, dass die CO2-Bepreisung bleibt und sozial treffsichere Maßnahmen zur Abfederung der hohen Preise kommen. Das wäre nicht einmal ein Ding der Unmöglichkeit sein müssen, redet doch die ÖVP selbst auch immer wieder davon, dass Gießkannen etwas Zweifelhaftes seien und die Leistungsfähigkeit bei allen möglichen Maßnahmen entscheidend sein müsse.

dieSubstanz.at spricht Sie an? Unterstützen Sie dieSubstanz.at >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

1 Comment
GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner