Wofür Edtstadler steht

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ANALYSE. Die Landeshauptfrau von Salzburg verkörpert das letzte Aufgebot einer Volkspartei, die sich nicht mehr neu erfinden will.

Karoline Edtstadler war die zweite Wahl von Wilfried Haslauer in Bezug auf seine Nachfolge. Ursprünglich hatte er Stefan Schnöll dafür vorgesehen, dieser stellte jedoch fest, dass die Funktion des Salzburger Landeshauptmannes nichts ist für ihn. Es war kein Unglück für die ÖVP: Der 37-Jährige ist türkis und doch farblos. Gut vorstellbar, dass die Freiheitlichen unter Führung von Marlene Svazek leichtes Spiel mit ihm gehabt hätten bei der Landtagswahl 2028.

Dieser Urnengang wird in einer unheimlich dichten Zeit stattfinden: Innerhalb weniger Monate wird in Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Kärnten und eben Salzburg gewählt werden. Stand heute ist es nicht ausgeschlossen, dass Freiheitliche in Oberösterreich und Kärnten zu einer relativen Mehrheit kommen werden. Damit würde eine Dynamik einhergehen, die es aus ÖVP-Sicht extrem schwierig macht, sich in Salzburg zu behaupten (von der Bundesebene gar nicht zu reden).

Im Hinblick darauf bringt Edtstadler ungleich bessere Voraussetzungen mit als Schnöll. Auch wenn sie (noch) nicht besonders populär ist in Salzburg: Bei der jüngsten Nationalratswahl erhielt sie als Landeslistenerste gerade einmal 1800 Vorzugsstimmen. Zum Vergleich: Sepp Schellhorn brachte es als Vertreter der viel kleineren Neos auf 1200.

Das heißt jedoch wenig: Edtstadler steht für eine gerne freundliche, in der Sache aber harte, ja rohe Bürgerlichkeit. „Mit der Einführung der Impfpflicht ist es eigentlich rechtswidrig, in Österreich zu wohnen und nicht geimpft zu sein“, hat sie als Verfassungsministerin im Dezember 2021 gesagt. Seither reiben sich Freiheitliche an ihr und erinnern Leute, die die Impfpflicht nicht vergessen können, immer wieder daran, wer dafür gewesen ist.

Derlei wird noch länger nachwirken und Einfluss auf ein paar Prozentpunkte haben. Mehr und mehr entscheidend wird jedoch etwas anderes sein: Wie’s den Leuten geht, welche Veränderungen der persönlichen Lebensverhältnisse sie wahrnehmen, und wen sie im Land Salzburg zum Beispiel als beste Führungspersönlichkeit betrachten. Was letzteres betrifft, hat Edtstadler Chancen. Sie ist selbstbewusst, kann reden, hat das Potenzial, sich in der direkten Auseinandersetzung gegen Marlene Svazek durchzusetzen.

Die 44-Jährige (Edtstadler) ist das letzte Aufgebot einer ÖVP, die sich nicht mehr neu erfinden will, gegen Freiheitliche. Der Trend ist schon länger feststellbar. Auf Bundesebene zeichnet sich Christian Stocker eher nur durch einen anderen Stil als Karl Nehammer und viel mehr noch Sebastian Kurz aus. Inhaltlich lässt er insbesondere Claudia Plakolm ein „Weiter wie bisher“ pflegen. Nicht einmal in Wien, wo die Partei bei der Gemeinderatswahl im April abgestürzt ist, gibt es abgesehen davon Ansätze, sich wie einst unter Erhard Busek und den bunten Vögeln auf großstädtisch-bürgerliche Milieus zurückzubesinnen.

Karoline Edtstadler hat als Ministern glaubwürdig eine restriktive Migrations- und Flüchtlingspolitik vertreten sowie größtmögliche Distanz zur Europäischen Union gepflegt, deren Teil man ist: Das entsprach einer Art und Weise, die sich viele Parteikolleginnen und -kollegen in den vergangenen Jahren angewöhnt haben. Und zwar im Glauben, so der FPÖ Wind aus den Segeln nehmen zu können.

Christian Stocker ist nicht der erste ÖVP-Vertreter, der sich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention bzw. den zuständigen Gerichtshof stellt: Edtstadler hat das lange vor ihm getan und „realitätsnahe“ Urteile gefordert. Ziemlich genau ein Jahr ist es im Übrigen her, dass sie, die damalige Europaministerin, im Zusammenhang mit der Renaturierungsverordnung wörtlich von einem „weiteren Diktat aus Brüssel“ sprach. Natürlich: Das war schon Wahlkampf. Aber auch tiefblaue Diktion.

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