ORF gegen die Wand

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ANALYSE. Politik sorgt dafür, dass die Haushaltsabgabe längerfristig zum Schaden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist.

Bei einer Eurobarometer-Befragung gaben zuletzt nur noch 50 Prozent von mehr als 1000 Österreicherinnen und Österreichern an, dass öffentliches Radio und Fernsehen, also der ORF, zu den Medien zähle, denen sie am meisten vertrauen. Das waren um sechs Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Außerdem: Bei unter 40-Jährigen handelte es sich um keine 40 Prozent bzw. kaum mehr als in dieser Gruppe „Printmedien“ nannten. Bei den Jüngsten sind wenig überraschend auch soziale Medien und Plattformen wie Youtube im Kommen, ist der Vorsprung des ORF überschaubar geworden.

Das ist ein Problem für den Öffentlich-Rechtlichen: Wie lässt sich unter diesen Umständen legitimieren, dass praktisch alle für ihn zahlen müssen? Die Frage stellt sich jetzt verstärkt: Aus der GIS-Gebühr ist eine Haushaltsabgabe geworden. Eine ORF-Tochter muss in gesetzlichem Auftrag quasi Steuereintreiberin spielen.

In Deutschland ist das Modell (bei zwei Öffentlich-Rechtlichen) ähnlich, dort aber erscheint zumindest dies anders: Die Finanzierung über diese Schiene entspricht viel eher einem politischen Konsens. Und Regierende lassen ARD und ZDF unabhängiger von ihnen sein.

In Österreich ist es unsägliche Praxis, dass sich Parteien den ORF über den Stiftungsrat an der kurzen Leine halten. Seit geraumer Zeit tut es die ÖVP. Sie verfügt sogar über eine absolute Mehrheit in diesem Gremium und hat so etwa den amtierenden Generaldirektor Roland Weißmann in der bekannten Art und Weise als solchen installiert. Damit hat er, ob er will oder nicht, eine türkise Etikettierung.

Das Schlimme ist, dass Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) nicht daran denkt, hier eine Reform bzw. eine ernstgemeinte Ent-Parteipolitisierung durchzuführen, die vertrauensbildend wirken könnte. Was schon auch ein bisschen verwunderlich ist: In ein paar Jahre könnten andere Kräfte stärker sein. Dann könnte die ÖVP zu denen zählen, die unter diesen Verhältnissen leiden.

Die FPÖ profitiert davon, dass aus parteipolitischer Sicht einflussmäßig alles bleibt, wie es ist. So kann sie wirkungsvoller gegen den ORF vorgehen. Von wegen Unabhängigkeit! Wobei es ihr nicht darum geht, für eine solche zu sorgen, sondern darum, Journalismus zu bekämpfen. Das ist ihr Feind. Er steht einem Volkskanzler im Weg. Ein solcher benötigt ausschließlich Verlautbarungsjournalismus gepaart mit Lobhudelei.

Wer, wie Herbert Kickl, tagein, tagaus von einem „Staatsfunk“ redet und neuerdings nicht vergisst, auf eine „Zwangssteuer“ hinzuweisen, der weiß, dass es immer mehr Leute gibt, bei denen das hängen bleibt. Gerade in Zeiten, in denen Verschwörungstheorien Konjunktur haben und sich eine Vorstellung hält, wonach „die da oben“ (Politiker, Journalisten, …) „die da unten“ (übrige Bürger) jetzt aber wirklich dumm sterben lassen wollen.

Soll heißen: Weil gerade eine Haushaltsabgabe ohne ORF-Reform eingeführt worden ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kickl im Falle einer Regierungsbeteiligung das durchsetzen kann, was er seinen Anhängern jetzt schon verspricht. Nämlich die Abschaffung dieser Abgabe bzw. einen Übergang zu einer reduzierten Finanzierung aus dem Bundesbudget, über die der Volkskanzler dann von Jahr zu Jahr befindet, wie’s ihm gefällt. Nicht ausgeschlossen jedenfalls, dass die öffentliche Meinung dafür bis dahin auf seiner Seite sein wird.

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