Gusenbauer ist nicht das Problem

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ANALYSE. Das Problem ist eine Politik, die sich lieber an Einzelnen abarbeitet als sich ganz auf Ideen im Sinne der gesamten Gesellschaft zu konzentrieren.

Es gibt viele Beispiele dafür, dass das Tun ehemaliger Spitzenpolitiker der Partei nicht schaden muss, der sie als einfaches Mitglied weiterhin angehören. Warum auch? Schaden könnte es etwa, wenn sich die Partei auf sie berufen würde; oder wenn sie selbst noch einen maßgeblichen Einfluss auf die Partei hätten. Beides ist bei Alfred Gusenbauer und der SPÖ nicht der Fall.

Warum dann also die Ausschlussdebatte? Warum drängen die Burgenländer auf einen Ausschluss, während etwa die Niederösterreicher, deren Reihen der ehemalige Kanzler und Bundesparteivorsitzende angehört, dagegenhalten? Es wäre zu einfach, festzustellen, dass die Genossen um Hans Peter Doskozil einfach nur die Gelegenheit nützen wollen, Andreas Babler neue Probleme zu machen. Es geht schon auch darum, dass sich hier ein Stil rächt, der nicht einfach nur gegen Spitzenverdiener und Millionäre gerichtet ist, sondern auch noch gegen Einzelne ganz persönlich. Wie Mark Mateschitz und Victoria Swarovski, denen Vizeklubchefin Julia Herr öffentlich vor wenigen Monaten eine luxuriöse, vor allem aber emissionsreiche Reise vorhielt.

Damit tritt das Anliegen, eine Vorstellung von Gerechtigkeit zu propagieren, die im Sinne aller ist und dazu unter anderem auch Steuersystemreformen durchzuführen, in den Hintergrund. Im Vordergrund steht, Personen an den Pranger zu stellen, die von bestehenden Möglichkeiten profitieren, aber halt in einem Ausmaß, das einem ganz und gar nicht gefällt. Dafür sollen sie büßen.

So ist das auch in Bezug auf Alfred Gusenbauer. Vorgeworfen wird ihm, bei René Benko zu viel verdient zu haben und jetzt auch noch – obwohl Aufsichtsratsvorsitzender – als langjähriger Berater im Insolvenzverfahren mehr als sechs Millionen Euro an Honoraren einzufordern. Natürlich: Das übersteigt gängige Maßvorstellungen und gilt daher gerade für einen Sozialdemokraten als unmoralisch. Abgesehen davon, dass im konkreten Fall Rechte und Pflichten maßgebend sind und diesbezüglich noch kein Schlussstreich gezogen ist, stellt sich jedoch eine Frage: Geht es hier nur um Gusenbauer, den man persönlich nicht mehr mag oder um mehr? Und wenn es um mehr geht: Sollen als Konsequenz eine Einkommensobergrenze und Unvereinbarkeitsbestimmungen für alle SPÖ-Mitglieder sowie vorübergehende Berufsverbote für all jene eingeführt werden, die aus einem Amt ausscheiden? Wenn schon, dann müsste man wohl darüber diskutieren. Es würde zumindest einem prinzipiellen Zugang entsprechen.

Für die SPÖ, die anders als die ÖVP unter Sebastian Kurz 2019 nicht so tut, als sei sie neu und keine Partei mehr, sondern eine Bewegung, also etwas ganz anderes, das keine Geschichte hat, wäre ein Ausschluss von Alfred Gusenbauer im übrigen auch deswegen nicht ganz einfach: Vor nicht viel mehr als zwei Jahren hat sie ihm mit der Viktor-Adler-Plakette ihre höchste Auszeichnung verliehen: „Lieber Alfred, vielen Dank für alles, was du für die Sozialdemokratie geleistet hast und dass du mir mit deiner langjährigen Arbeit als SPÖ-Vorsitzender – zuerst in Opposition und dann als Bundeskanzler – gezeigt hast, dass Politik ein Marathon ist. Sie ist nichts für Kurzstreckenläufer. Man braucht einen langen Atem, aber mit starkem Kampfgeist lässt sich Historisches leisten. Danke, Freundschaft!“ Schrieb Pamela Rendi-Wagner als damals amtierende Vorsitzende. Es war ernst und durchaus auch für die gesamte Partei gemeint. Da wäre es erklärungsbedürftig, warum das heute alles ganz anders sein soll. Aus der Emotion heraus? Oder wie?

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