ANALYSE. Wer nicht über Sicherheitspolitik redet, erhält auch keine große Mehrheit für Veränderungen, die notwendig erscheinen. Also will die Verteidigungsministerin ganz offensichtlich nichts mehr von einer Wehrdienstzeitverlängerung wissen.
Europa sei nicht geeint, stellte Alexandra Föderl-Schmid von der „Süddeutschen Zeitung“ in der ORF-Sendung „Das Gespräch mit Susanne Schnabl“ fest. Gefragt wäre eine gemeinsame Sicherheitspolitik. Aber was will man machen, nicht nur bei Ländern wie Ungarn etwa, sondern auch Österreich: Föderl-Schmid verlieh ihrer Verwunderung Ausdruck, dass Sicherheitspolitik hierzulande so wenig Thema sei.
Das ist wirklich ein Problem, es rächt sich. Beispiel 1: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) sind Österreichs Möglichkeiten im Rahmen der Beistandspflicht in der EU offenbar nicht bekannt; im Vorjahr meinte sie jedenfalls, man dürfe einem anderen EU-Mitglied im Falle eines Angriffs nicht militärisch beistehen – was falsch ist. Beispiel 2: Tanner hat auf Regierungsebene zwar durchgesetzt, dass wesentlich mehr Geld für das Heer zur Verfügung gestellt wird, sodass dort nach- oder aufgerüstet werden kann, mehr und mehr stellt sich jedoch die Frage: Und das Personal?
Man könnte glauben, die Ministerin, deren Partei einst ein Berufsheer abgelehnt hat, lege es auf ein solches an. Die Sache ist nämlich die: Tanner hat im Frühjahr eine Expertenkommission unter Führung des Milizbeauftragten Erwin Hameseder beauftragt, Vorschläge für eine Reform des Grundwehrdienstes zu entwickeln; und zwar als wesentliches Element zur Sicherstellung der Miliz, die im Ernstfall aktiviert wird.
Bis Jahresende soll die Kommission Vorschläge liefern. Hameseder hat bereits klargemacht, dass er für eine Verlängerung der Wehrdienstzeit ist. Argument: Sechs Monat reichen nicht aus, um eine adäquate Ausbildung durchzuführen. Außerdem ist Hameseder dafür, dass es im Anschluss zu verpflichtenden Übungen kommt, damit möglichst gut trainierte Einheiten zur Verfügung stehen. Die Abschaffung dieser Übungen – unter Günther Platter (ÖVP) – im Jahr 2006 sei ein „gravierender Fehler“ gewesen, sagt er.
In einem Land, in dem nicht über Sicherheitspolitik geredet wird, ja in dem auch von der Verteidigungsministerin keine breite Auseinandersetzung damit angeregt wird, kann man sich jedoch nicht erwarten, dass eine solche Veränderung von einer großen Mehrheit als notwendig erachtet wird. Bei einer Erhebung des Ressorts haben zuletzt gerade einmal 51 Prozent von insgesamt 1500 Befragten erklärt, dass die bestehenden sechs Monate Wehrdienst zu kurz seien.
Was also macht Tanner? Sie, die im Frühjahr noch selbst festgestellt hat, dass sechs Monate „wirklich sehr kurz“ seien und daher die erwähnte Kommission eingesetzt hat, fährt dieser in die Parade. Sie will ganz offensichtlich nichts mehr von einer Verlängerung wissen.
„Im Regierungsprogramm steht das nicht“, sagte sie jüngst in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Im Übrigen müsste parallel dazu auch der Zivildienst verlängert werden und dafür „bräuchte man eine Zweidrittel-Mehrheit“ auf parlamentarischer Ebene. Also würde sie sich Vorschläge wünschen, die in diese Richtung gehen: „Wie schaffe ich es, dass sich mehr für das Heer entscheiden als für den Zivildienst?“ Sprich: Mit Anreizen arbeiten. Auch das wäre laut Tanner jedenfalls „eine Möglichkeit, die Einsatzbereitschaft zu steigern“. Was so eben falsch ist: Mit noch mehr zu kurz und damit oft nur unzureichend ausgebildeten Soldaten würde nichts besser werden. Im Gegenteil, es würde nur noch mehr nicht einsetzbare geben.
Abgesehen davon hätte „Zivildienst“-Ministerin Claudia Plakolm (ÖVP) keine Freude damit: Ihr ist an einem starken Wehrersatzdienst gelegen, dieser ist ihren Angaben zufolge schließlich unersetzbar für den Sozialbereich.
