Angst prägt Politik

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ANALYSE. Zu einer ernsthaften Sicherheitsstrategie wird es vor EU- und Nationalratswahlen kaum noch kommen können. Zu groß ist die Befürchtung, Kickl Stoff zu liefern.

Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher, der für die ÖVP in der Regierung sitzt, aber nicht Mitglied der Partei ist, traut sich vielleicht genau deshalb hin und wieder einen Vorstoß zu machen, über den man im schlimmsten Fall streiten kann. Jetzt hat er sich dafür ausgesprochen, die Zahl der Rot-Weiß-Rot-Karten, also der Berechtigungen für ausländische Fachkräfte, nach Österreich zu kommenen, in den kommenden vier Jahren auf rund 16.000 zu verdoppeln. Es wird spannend, ob er das angehen darf; ob ihn „seine“ Partei lässt. Für die FPÖ hat die Abgeordnete Dagmar Belakowitsch bereits geantwortet. Und zwar ablehnend: Sie unterstellte Kocher sinngemäß, bei 170.000 arbeitslosen Arbeitskräften hierzulande „die Zuwanderung ins Sozialsystem“ ausweiten zu wollen: „Österreich kann aber nicht das einzige Weltarbeitsamt und Weltsozialamt sein.“ Und so weiter und so fort.

Das Beispiel zeigt, dass mit der FPÖ kein Staat zu machen ist, in dem Wohlstand und soziale Netze auf größtmöglichem Niveau gehalten werden. Die Partei täuscht gezielt darüber hinweg, dass es ohne mehr und mehr Fachkräfte für Industrie, Pflege und viele andere Bereiche in den nächsten Jahren nicht gehen wird. Dass es nicht ausreichen wird, in Österreich verfügbare Arbeitskräfte umzuschulen und zu qualifizieren.

Andererseits aber strapaziert auch die ÖVP von Karl Nehammer die Erzählung von „Zuwanderung ins Sozialsystem“, wie sie es schon unter Sebastian Kurz getan hat; versucht sie der FPÖ in solchen Fragen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, ja unter Umständen sogar einen Wettbewerb mit ihr zu pflegen: So lange sie das tut, macht sie es sich selbst schwer bis unmöglich, auch nur gezielte oder gesteuerte Zuwanderung zu betreiben. Belakowitsch zeigt, dass da einfach alles vermischt und für Stimmungsmache – auch gegen die ÖVP – eingesetzt wird.

Vor diesem Hintergrund wird es im Übrigen unwahrscheinlich, dass die Regierung vor EU- und Nationalratswahlen eine ernsthafte Sicherheitsstrategie vorlegt, die der Bedrohung Europas durch Wladimir Putin auch nur einigermaßen gerecht wird. Am 5. April vor einem Jahr hat sich das Kabinett Nehammer selbst dazu beauftragt; mittlerweile ist es gegenüber sich selbst säumig, heißt es im entsprechenden Ministerratspapier doch, dass das Ergebnis „bis Ende 2023“ dem Nationalrat zur Debatte zuzuleiten ist.

Diese öffentliche Auseinandersetzung kann man vor Wahlen jedoch unmöglich führen, wenn man sich durch die FPÖ treiben lässt. Herbert Kickl hat gerade wieder gemeint, die EU stehe für die Abschaffung der Neutralität, Kriegstreiberei und vieles andere mehr.

Da geht es also nicht einmal um Nato-Beitritt ja oder nein. Kickl ist schon zu viel, dass man Teil der Europäischen Union ist, die Sanktionen gegen Russland pflegt, die Ukraine unterstützt und in ihren Verträgen eine Beistandsklausel für den Fall eines Angriffs auf ein Mitglied hat. Er hat im Übrigen bereits klargemacht, dass ihm auch auch länderübergreifende Aktivitäten wie „Sky Shield“ zu weit gehen. Da wäre nur noch eine Sicherheitsstrategie möglich, die vorsieht, dass Österreich aus der EU austritt und versucht, allein zurechtzukommen. Alles andere würde Kickl in der Luft zerreißen. Vor den Wahlen wäre ihm das sogar sehr recht.

Ob ihm Nehammer diesen Gefallen machen wird? Es wäre aus seiner Sicht sogar riskant, tut er sich doch schon schwer, eine Erzählung zu liefern, die seinen Neutralitätsbeteuerungen entspricht und die Wählermassen überzeugt. Der Haken: Ungeachtet dessen werden längst Weichenstellungen wie eben „Sky Shield“ vorgenommen, wird groß ins Bundesheer investiert – halt einfach ohne irgendeine umfassende Strategie.

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