Hände weg von NGOs

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ANALYSE. Versuche, für Nicht-Regierungsorganisationen ähnliche Transparenzbestimmungen wie für Parteien einzuführen, sind gefährlich.

Österreich hat ein demokratisches Problem. Genauer: Aktuell zwingen zwei Entwicklungen dazu, sich ihm zu widmen. Zum einen Klagen darüber, dass es zu viele Volksbegehren gebe und eine Geschäftemacherei daraus geworden sei. Zum anderen ÖVP-Bestrebungen, für Nicht-Regierungsorganisationen ähnliche Transparenzbestimmungen wie für Parteien einzuführen.

Natürlich: Seit Volksbegehren auch „online“ laufen, gibt es viel mehr und die Rückerstattung der fünffachen Einreichgebühr von 3400 Euro an die Initiatoren, die vorgesehen ist, sofern mehr als 100.000 Unterstützer:innen zusammenkommen, kann ein Anreiz sein, einfach unzählige Begehren in Gang zu setzen. Das Problem beginnt jedoch früher: Volksbegehren sind kein gepflegtes Instrument der direkten Demokratie. Besonders Regierende zeigen ziemlich unverhohlen, dass sie ihnen lästig sind. Daher kommt es auch so gut wie nie zu einer ernsthaften Behandlung auf parlamentarischer Ebene. Insofern wäre es übel, es bei diesem Zustand zu belassen und ausschließlich bei den öffentlichen Mitteln für Volksbegehren auf die Bremse zu steigen.

Die zweite Geschichte betrifft ÖVP-Bestrebungen, Nicht-Regierungsorganisationen zu verpflichten, Großspenden offenzulegen. Damit man wisse, wer dahinterstecke, so das Argument; und zwar der ÖVP, bei der es wieder einmal mit am längten dauert, bis ihr Rechenschaftsbericht veröffentlicht ist. Aktuell lässt jener für das Jahr 2021 (!) auf sich warten.

Hier geht es aber nicht darum, dass bei den Parteien zuerst einmal umfassende Transparenz (inkl. steuergeldfinanzierte Inserate in parteinahen Medien und dergleichen) praktiziert werden müsste, damit man weiterreden kann. Der Punkt ist, dass die Absicht für NGOs einer Bestimmung von Viktor Orbàn aus dem Jahr 2017 sehr nahe kommt, wonach sich aus dem Ausland finanzierte NGOs bei ungarischen Behörden registrieren lassen mussten – was der Gerichtshof der Europäischen Union 2020 für EU-rechtswidrig erklärt hat.

Hierzulande ist das offenbar kein Hindernis, Ansätze vorzunehmen, die ebenfalls in diese Richtung gehen. Gerne wird dabei auch auf eine EU-Regelung verwiesen, die NGOs verpflichtet, offenzulegen, wie sie EU-Gelder verwenden, die sie erhalten. Das aber ist etwas ganz anderes. Die ÖVP will NGOs verpflichten, private Spenden offenzulegen.

Auch mit Regelungen für Parteien ist das nicht vergleichbar. Grund: Parteien werden gerade in Österreich gefördert wie in keinem oder in kaum einem anderen Land der Welt. Da ist es naheliegend, dass sie umfassend Rechenschaft ablegen müssen, geht es nicht nur darum, mögliche Abhängigkeitsverhältnisse dazulegen, die man wissen muss, um Entscheidungen, an denen sie mitwirken (oder die sie blockieren), nachvollziehen zu können.

Gerade bei NGOs ist umfassende Transparenz jedoch heikel, ja bedrohlich: Für einen autoritären Volkskanzler stellen sie von vornherein potenzielle Gegner dar. Und mit ihnen tun das auch Leute, denen sie wichtig sind, die sie daher auch finanziell unterstützen. Sprich: Diese Leute muss man, wenn man Demokratie stärken will, schützen, indem man zulässt, dass sie anonym bleiben können. Sie darf man keinem Volkskanzler ausliefern.

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