Also neutral

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ANALYSE. Es reicht nicht, eine Debatte für beendet zu erklären: Nehammer muss der Kurskorrektur auch Glaubwürdigkeit verleihen.

Gewissermaßen hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gestoppt, was er – in dieser Weise wohl nicht beabsichtigt – angestoßen hatte: In einer ORF-Pressestunde sagte er Ende Februar unter anderem, die Neutralität sei Österreich einst von den sowjetischen Kommunisten aufgezwungen worden. Russland griff das auf, um zu signalisieren, dass es diesen Status der Republik nicht mehr zweifelsfrei anerkennt. Andreas Khol, der trotz seiner Sprunghaftigkeit als Vordenker der Volkspartei herumgerecht wird, forderte einen NATO-Betritt oder die Mitarbeit an einer EU-Armee. ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer legte nach und sprach sich aufgrund der jüngsten Entwicklung dafür aus, über die Neutralität und ihre Ausgestaltung zu diskutieren (eine Woche zuvor hatte er in einer Aussendung betont, sie sei unbestritten). Das scheint Nehammer in der angespannten Situation zu viel geworden zu sein: Via Doha ließ er wissen, dass die Diskussion für seinen Teil beendet ist: „Österreich war neutral, Österreich ist neutral, Österreich wird auch neutral bleiben.“

Wobei: Angesichts der Debattenteilnehmer könnte man beinahe sagen, es habe sich ohnehin nur um einen unkoordinierten, ÖVP-internen Meinungsbildungsprozess zu einem heiklen Thema gehandelt, in den ausgerechnet die Großmacht Russland eingestiegen ist. Da ist die Volkspartei erschrocken.

Die Sache ist jedoch komplizierter: All dies steht für einen vielzitierten Umgang mit der immerwährenden Neutralität. Man setzt sie ein, wenn es vorteilhaft erscheint. Einzig Grüne und Neos können behaupten, eine konsequente Line zu verfolgen. Erstere mit einem Bekenntnis zu einer aktiven Neutralitätspolitik, das sie nie unter Beweis stellen mussten; zweitere mit ihrem Ruf nach einer Europäischen Verteidigungsunion, die sie allein nicht durchsetzen können.

Aktuelle Neutralitätsbekenntnisse von FPÖ-Chef Herbert Kickl und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sind nicht besonders überzeugend, sondern wohl eher nur einer vermuteten Stimmungslage in der Bevölkerung geschuldet. Kickls Freiheitliche waren es, die sich im schwarz-blauen Regierungsprogramm 2000 zu folgendem bereit erklärten: „Österreich wird seine eigenen Beziehungen zur NATO weiterentwickeln, wie es den Erfordernissen seiner Sicherheit und seiner vollen und gleichberechtigten Teilnahme an der europäischen Sicherheitsarchitektur entspricht. Die Option einer späteren Mitgliedschaft wird eröffnet.“

Unverzichtbarer Bestandteil der österreichischen Neutralität wäre die Fähigkeit, sich im Falle des Falles selbst verteidigen zu können. Das mag man begrüßen oder auch nicht, es ist so. Wenn man sich zur Neutralität in ihrer verfassungsrechtlichen Ausgestaltung bekennt, dann muss man Sorge dafür tragen, dass dies gewährleistet ist. Unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern der jüngeren Vergangenheit (Hans Peter Doskozil, Gerald Klug, Norbert Darabos) verlor das Bundesheer jedoch ebenso an Einsatzfähigkeit wie unter schwarzen bzw. türkisen. An ÖVP-Finanzministern allein ist es nicht gelegen.

Das Thema hatte keine Priorität. Im 164 Seiten starken Programm der SPÖ zur letzten Nationalratswahl gibt es nur einen kleinen Absatz dazu. Zitat: „Die Ibiza-Koalition hat zu verantworten, dass das Bundesheer in einer katastrophalen budgetären Situation steckt. Dabei geht es um jene Kräfte, die BürgerInnen unter anderem in Katastrophen-Situationen helfen. Wir werden in das Bundesheer investieren, damit es gut arbeiten und seine Aufträge erfüllen kann.“

Wie die Türkisen das Thema jetzt handhaben werden, ist schwer zu sagen. Es wird auch von den Entwicklungen in den kommenden Wochen abhängen. Im Sinne der Glaubwürdigkeit seines jüngsten Neutralitätsbekenntnisses wäre Nehammer jedoch gut beraten, zu präzisieren: Was bedeutet die Bündnisfreiheit, die damit einhergeht, jetzt genau für die Weiterentwicklung des Bundesheeres? Mehr als die Ankündigung, das Budget auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, liegt nicht vor. Das reicht nicht. Mit den Milliarden könnte dies oder jenes angeschafft werden. Man muss zunächst wissen, was man erreichen möchte.

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