Minister fürs Unmögliche

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ANALYSE. Johannes Rauch übernimmt das Gesundheitsressort vor den schwierigsten Phasen der Corona-Pandemie.

Die jüngste Beseitigung von Corona-Beschränkungen fand mitten in der fünften Welle dieser Pandemie statt. Wobei sich diese Welle nicht nur auf das Infektionsgeschehen bezieht, sondern auch auf die relevantere Entwicklung in den Spitälern. Mit 7. März mussten offiziellen Angaben zufolge 2760 Menschen stationär behandelt werden, für die ein positives Testergebnis vorliegt. Sprich: Sie sind wegen oder mit Corona eingeliefert worden.

Mehr waren es bisher nur am Höhepunkt der zweiten Infektionswelle im Herbst vor eineinhalb Jahren (4649) sowie im vergangenen Herbst (3458). Zwischendurch ist die Zahl heuer schon einmal auf weniger als 1000 gesunken.

Die meisten Erkrankungen mögen relativ mild sein. Die Zahl der Intensivpatienten ist mit knapp 200 seit Wochen sehr stabil. Das Problem ist jedoch, dass die Gesamtbelastung für die Spitäler anhaltend hoch ist; und dass auch die Spitäler selbst mit coronabedingten Personalausfällen konfrontiert sind.

Am 7. März hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Angelobung des neuen Gesundheitsministers vorgenommen. Johannes Rauch hat das Amt von Wolfgang Mückstein übernommen. Und zwar vor den schwierigsten Phasen der Pandemie.

Erstens: Zu Beginn der Pandemie war es vergleichsweise einfach für die Politik, mit der Pandemie umzugehen. Respekt oder Angst vor dem, was kommen könnte, waren sehr verbreitet und wurden zum Teil auch eingeflößt („Bald wird jeder von uns jemanden kennen, …“). Es wurden harte Maßnahmen verhängt und auch eingehalten.

Zweitens: Mittlerweile gilt die Pandemie größeren Teilen der Gesellschaft zumindest gefühlt als überwunden. Weitrechende Lockerungen der vergangenen Wochen verstärkten dies. Da und dort ist im Zusammenhang mit den Schritten vom 5. März gar von einem „Freedom Day“ gesprochen worden. Das beeinflusst auch Verhaltensweisen, die das Infektionsgeschehen befeuern.

Drittens: Ein Gesundheitsminister, der jetzt zu Vorsicht aufruft oder gar ein Zurück zu Beschränkungen fordert, ist auf verlorenem Posten. Er wird nicht gehört und er wird auch bei einer Wirtschaft nicht durchkommen, die einerseits gerade nachzuholen versucht, was sie verloren hat und andererseits auch aufgrund des Ukraine-Krieges in eine unsichere Zukunft blickt.

Viertens: Erschwerend kommt für Johannes Rauch dazu, dass als entscheidender Faktor noch immer die Intensivbelegung gilt. Auch sein Vorgänger hat es verabsäumt, das rechtzeitig zu korrigieren. Ergebnis: Bei weniger als 200 Patienten wird die Pandemie als harmlos empfunden.

Fünftens: Die Impfkampagne muss neu aufgesetzt werden. Das wird die wohl größte Herausforderung für den Vorarlberger – angesichts einer wachsenden Sorglosigkeit; angesichts des Schadens, der durch die vermasselte Pflicht angerichtet wurde (verhärtete Einstellungen); uns angesichts der Notwendigkeit, spätestens am dem Sommer möglichst viele Menschen dazu zu bringen, sich vorsorglich (!) impfen zu lassen.

Sechstens: Mit Landeshauptleuten ist grundsätzlich eher kein vorausschauendes Handeln zu haben. In Oberösterreich und Salzburg haben sie im Herbst bewiesen, dass sie erst dann einlenken, wenn es nicht mehr anders geht, also zu spät ist. Das wird sich kaum ändern. Im Gegenteil: Im Hinblick auf bevorstehende Wahlen (spätestens im Frühjahr 2023) werden sich die Landeshauptleute von Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Tirol nicht unpopulär machen wollen mit Maßnahmen, geschweige denn der Durchsetzung einer Impfpflicht.

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