Viel Message, wenig Control

ANALYSE. Der Spionagefall beim Bundesheer ist hochnotpeinlich für Österreich. Warum er dennoch so offensiv präsentiert worden ist, ist schleierhaft – aber nur beinahe.

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ANALYSE. Der Spionagefall beim Bundesheer ist hochnotpeinlich für Österreich. Warum er dennoch so offensiv präsentiert worden ist, ist schleierhaft – aber nur beinahe.

Der Geheimdienstexperte Siegfried Beer hat den Umgang der Regierung mit dem Spionagefall beim österreichischen Bundesheer sehr gut zusammengefasst: „Einen problematischen Mitarbeiter in den eigenen Reihen hängt man in diesem Geschäft tunlichst nicht an die große Glocke. Hinzu kommt, dass Teile der Bundesregierung auf Kuschelkurs mit Moskau sind, man Russland im konkreten Fall aber öffentlich kritisiert hat. Hier passt vieles nicht zusammen, ich kann also nur mutmaßen: Entweder ist die Regierung schlecht beraten. Oder sie versucht mit der Russland-Kritik von etwas anderem abzulenken“, so Beer in einem Interview mit der Tageszeitung „Kurier“.

Als Fremder kann man sich also wirklich nie sicher sein, wo gewisse Informationen für Österreich letzten Endes landen.

Doch eines nach dem anderen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) haben am Freitag, den 9. November, in einem medienöffentlichen Statement offiziell bestätigt, dass ein pensionierter Oberst für Russland spioniert haben soll. Das hat ein paar für Österreich äußerst unangenehme Seiten:

  • Ganz offensichtlich musste es von Großbritannien darauf hingewiesen werden, dass es da einen Spion in den eigenen Reihen gibt. Beim Heer selbst blieb er über all die Jahre unentdeckt. Das wirft ein schiefes Licht auf die interne Kontrolle. Und das macht Österreich einmal mehr zweifelhaft für heikle Informationen. Wie es schon im Zuge der Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) der Fall gewesen ist: Als Fremder kann man sich da nie sicher sein, wo gewisse Dinge letzten Endes landen, ob bei der Justiz der in Moskau – alles scheint möglich.
  • In ihrem Bemühen, international anerkannt zu werden, haben sich ganz besonders Freiheitliche bei Russlands Präsident Wladimir Putin angedient. Sie gingen eine Partnerschaft mit seiner Partei ein, Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) empfing ihn zuletzt auch noch auf ihrer Hochzeit. Enger geht’s nicht. Und das ist in dieser Weise ganz grundsätzlich ein Unding: Wie im Wirtschaftsleben geht es auch in der Weltpolitik nicht primär um Freundschaftspflege, sondern um knallharte Interessen. Vollkommene Distanzlosigkeit geht da nicht. Kneissl hat sie dennoch praktiziert. Umso peinlicher ist dieser Spionagefall nun auch für sie.

Im Umgang mit dem Fall hat die Bundesregierung dann auch noch viel Message und wenig Control bewiesen: Zu spektakulär schien er ihr womöglich, zu schnell musste er raus. Bei ein, zwei Überlegungen wäre sie jedoch wohl etwas anderes vorgegangen; nicht nur aus den erwähnten Gründen.

Es blieb der „Kronen Zeitung“ vorbehalten, als erstes Medium darüber zu berichten: Noch ehe Kurz und Kunasek quasi vor die gewöhnlichen Medien traten, wusste die Zeitung, dass der Spion 20 Jahre unentdeckt geblieben und in dieser Zeit von den Russen 300.000 Euro kassiert haben soll: „Da erinnert man sich an den legendären Oberst Redl aus der k.u.k-Armee, der 1913 als Spion für das russische Zarenreich enttarnt wurde“, schrieb Chefredakteur Klaus Herrmann in seinem morgendlichen Newsletter vom 9. November – noch vor der Kurz-Kunasek-Presseerklärung. „Die Presse“ berichet, die „Krone“ sei vorab informiert worden. 

Das ist indirekt auch ein Hinweis, dass Kanzler und Co. von eher kurzsichtigen, innenpolitischen Überlegungen getrieben waren.

Das ist ein starkes Stück: Die Regierung hat es nicht einmal geschafft, diese Geschichte, die, wenn schon, denn schon, von allgemeinem Interesse ist, zeitgleich über alle Medien zu veröffentlichen. Ausgerechnet das Blatt, dem sie verbunden ist und dem Außenministerin Kneissl vor wenigen Tagen erst in einem Leserbrief „für die sachliche und vor allem auch gelassene Berichterstattung“ zum UN-Migrationspakt dankte, konnte die spektakuläre Nachricht zuerst verkünden.

Das ist indirekt auch ein Hinweis, dass Kanzler und Co. in ihrer Informationspolitik von eher kurzsichtigen, innenpolitischen Überlegungen getrieben waren: Selbstverständlich haben sie mit ihrer Offensive im Spionagefall auch eine gewisse Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht; da wird nicht lange gefackelt, sondern gehandelt. Selbstverständlich könnten sie im Übrigen darauf verweisen, dass das Verteidigungsministerium in den letzten Jahren sozialdemokratisch geführt war, die interne Kontrolle also eher unter SPÖ-Ministern versagt hat – und sie nun aufräumen. All das kann die vielen „Nebeneffekte“ jedoch nicht wettmachen: Österreich hat mit seiner „Megaphon-Diplomatie“ (Russlands Außenminister Sergej Lawrow) vor allem auch eigene Unzulänglichkeiten demonstriert.

Hinweis: In der Erstfassung dieses Textes hieß es in Titel und Text „Massage“ statt „Message“; das war ein bedauerlicher Fehler. 

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