Van der Bellen hat recht

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ANALYSE. Korruption: ÖVP und Grüne tun nicht nichts, um den „Wasserschaden“ zu beheben. In entscheidenden Punkten lassen sie jedoch aus.

Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) lebt Bundespräsident Alexander Van der Bellen wohl in einer anderen Welt. In seiner Neujahrsansprache hatte dieser einmal mehr Schritte zur Behebung des „Wasserschadens“ gefordert, der durch Korruption entstanden ist. Wie zu anderen Problemen seien „auch da entsprechende Schritte noch immer nicht gesetzt“, so Van der Bellen.

In „Krone“-Interviews bemühten sich die beiden Regierungsvertreter, das zu widerlegen: Kogler erinnerte etwa an das neue Parteientransparenzgesetz, „damit so etwas wie Wahlkampfkostenüberschreitungen in Zukunft ganz generell der Riegel vorgeschoben wird“. Das Gesetz sei „eines der strengsten in Europa überhaupt“, so Kogler weiter: Der Rechnungshof könne kommen und die Parteikassen umdrehen. Das finde man wohl kaum sonst wo.

Auch Nehammer äußerte sich verwundert über die Darstellung Van der Bellens: „Eines der strengsten Parteienfinanzierungsgesetze wurde beschlossen“, bekräftigte er. Das Medientransparenzgesetz sei in der Begutachtungsphase (gewesen) und eine Verschärfung des Antikorruptionsstrafrechtes sei im Werden.

Liegt der Bundespräsident also daneben? Woher: Parteien mögen zu mehr Transparenz verpflichtet werden. Bei Wahlkampfkostenüberschreitungen müssen sie mit höheren Geldstrafen rechnen. Im Unterschied zu französischen Parteienvertretern etwa droht ihren österreichischen Kollegen aber auch in Zukunft keine Haft. Es bleibt ein Kavaliersdelikt, wird kein Straftatbestand.

Oder: Der Rechnungshof darf eine Parteikassa nur auf begründeten Verdacht hin umdrehen. Das ist ein Fortschritt, relativiert seine Möglichkeiten jedoch. Vor allem aber: Parteinahe Organisationen, die Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) im Ibiza-Video zur legalen, aber verdeckten Finanzierung erwähnte, bleiben außen vor.

Anfang Juli haben ÖVP und Grüne einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) aufgefordert wurde, eine rechtssichere und praktikable Lösung für diese Vereine zu erarbeiten. Bis heute liegt nichts vor, nicht einmal ein Zeitplan dafür. Dabei zeigte nicht nur das Ibiza-Video, dass es Handlungsbedarf geben würde, es tun auch Seniorenbund- und andere parteinahe -Vereine. Aber wenn man nicht will, dann schiebt man es eben auf die lange Bank.

Zum Medientransparenzgesetz hat der Kommunikationswissenschaftler Josef Trappel eine treffende Stellungnahme abgegeben. Zitat: „Erhöhte Transparenz verkleinert das Korruptionsrisiko nicht, wie die bisherigen Erfahrungen mit dem seit mehr als einem Jahrzehnt in Kraft befindlichen Gesetz zeigen. Vielmehr sollte eine verbindliche Obergrenze das Volumen der freihändig vergebenen Schaltungen eng begrenzen, und zwar sowohl was das Gesamtvolumen pro Jahr, als auch pro rechtsunterworfenem Rechtsträger betrifft. Beides findet sich nicht im Gesetzesentwurf.“

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses steht in den Sternen. Sie sollte durch Informationsfreiheit ersetzt werden, die generell mehr Ausleuchtungsmöglichkeiten in staatlichen Bereichen bietet. Hintergedanke: Wo Licht möglich ist, herrscht grundsätzlich eher mehr Sauberkeit. Auch hier aber muss man vorsichtig sein: Der Staatsrechtler Ewald Wiederin warnt, dass Informationsfreiheit mit so umfassenden Einschränkungen verbunden sein könnte, dass sich nicht genug ändert. Es würde dem Muster entsprechen, das bei Parteienfinanzierung und Inseratenkorruption gewählt wurde – den Erfordernissen „entsprechende Schritte“, von denen Van der Bellen spricht, sind ausgeblieben.

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