Zu viel zu verlieren

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ANALYSE. Die Hoffnung, dass sich ÖVP und Grüne an nachhaltig vernünftige Maßnahmen zur Krisenbewältigung machen, ist unbegründet.

ÖVP und Grüne hätten nichts mehr zu verlieren und könnten sich jetzt endlich an Maßnahmen machen, die notwendig erscheinen, aber vielleicht unpopulär sind; und zwar schon bei der dieswöchigen Regierungsklausur in Mauerbach. Das ist ein frommer Wunsch, der immer wieder zu hören ist.

Schon die Wahl des Klausurortes könnte jedoch zweifeln lassen: Mauerbach liegt unweit von Wien, „aber“ in Niederösterreich, wo am 29. Jänner eine Landtagswahl stattfindet. Womit es kaum darum gehen wird, irgendetwas anzugehen, was den Türkisen um Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, aber auch den Grünen im Land nicht ins Wahlkampfkonzept passen könnte. Es wird eher darum gehen, gute Stimmung zu machen.

Etwa dadurch, dass einmal mehr betont wird, dass man schon mehr als 37 Milliarden Euro für Entlastungsmaßnahmen freigegeben habe. Und dass man damit so umfangreich auf die Teuerung reagiert habe, wie gemessen an der Bevölkerung sonst nur Luxemburg in Europa. Es mag beeindruckend sein, ist aber ein problematisches Kriterium. Es gleicht einer Feuerwehr, die stolz darauf ist, so viel Wasser zu verspritzen wie kaum eine andere. Relevant wäre: Wurde es treffsicher eingesetzt? Wäre es auch mit weniger gegangen?

Dass mit notwendigen, zunächst aber unpopulären Reformen nicht zu rechnen ist, signalisiert auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der Änderungen bei den Pensionen mit den Worten ablehnt, dass derlei „angesichts der multiplen Krisen“ nicht sinnvoll sei. Das klingt schlüssig. Aber nur zunächst. Geringe Arbeitslosigkeit und ein wachsender Fachkräftemangel könnten andererseits sogar als sehr günstige Umstände bezeichnet werden, für ein höheres Pensionsalter zu sorgen.

ÖVP und Grüne haben nur insofern nichts mehr zu verlieren, als sich eine Fortsetzung der Koalition nach der nächsten Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausgehen wird. Sie unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten von einem Bundespräsidenten, der sich keiner Wahl mehr stellen muss (bzw. darf) und sich daher wirklich mehr erlauben kann (bzw. könnte).

Erstens: Für die ÖVP ist es nicht egal, ob sie sich wenigstens bei gut 20 Prozent halten kann, und die Grünen, ob sie zweistellig bleiben. Es hat Einfluss auf ihr Gewicht nach der Wahl. Für sie geht’s dann weiter, sie werden sich kaum auflösen. Abgesehen davon weiß z.B. Bundeskanzler Karl Nehammer, dass er bei, sagen wir, 15 Prozent, den Hut nehmen muss als ÖVP-Obmann. Und den Eindruck, dass er das riskieren würde, macht er nicht.

Zweitens: ÖVP und Grüne stehen auch unter dem Druck ihrer Mandatare sowie ihrer Funktionäre in den Ländern. Im Moment ist Rücksicht auf die Landtagswahl in Niederösterreich angesagt, im März folgt der Urnengang in Kärnten, im April jener in Salzburg. Das blockiert bzw. verleitet eher zu einer Fortsetzung einer „Koste es, was es wolle“-Politik. Danach rückt allmählich die Nationalratswahl 2024 näher. Dann geht sowieso nichts mehr.

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