Türkis-schwarzes Doppel, roter Streit

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ANALYSE. Anders als bei der SPÖ werden Konflikte zwischen Bund und Ländern im Falle der ÖVP kaum noch wahrgenommen. Das ist kein Zufall.

„Ost-Lockdown: SPÖ uneins bei Öffnungsschritten“, „Doskozil gegen Rendi-Wagner: Corona-Streit bringt SPÖ unter Druck“, „Rot gegen Rot: SPÖ im internen Streit gefangen“: Politische Mitbewerber der Sozialdemokraten werden sich gefreut haben über die jüngsten Schlagzeilen von „ORF.AT“, „Österreich“ und „Krone“. Besonders Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz könnte jubeln: Solche Konflikte sind ihm grundsätzlich nicht unbekannt. Zuletzt aber hat er sich eher mit der Aussicht auf bessere Zeiten als mit Beschränkungen beschäftigt; diesen unpopulären Teil der Aufgaben hat er den Ländern übertragen – mit dem Ergebnis, dass es bei den Sozialdemokraten drunter und drüber geht, die sich ja zumindest auf Bundesebene in Opposition befinden, die für den 34-Jährigen relevant ist.

Die unterschiedliche Wahrnehmung von Konflikten ist bemerkenswert: Als Sebastian Kurz vor einigen Wochen erklärte, dass „Bürgermeisterimpfungen“ indiskutabel seien, sind sie vom Salzburger Landeshaupt- und ÖVP-Obmann Wilfried Hauslauer demonstrativ verteidigt worden. Das war und ist kein „Micky Maus“-Thema, sondern eines, das sehr viele Menschen in Österreich beschäftigt. Im Februar wiederum hat der Tiroler Landeshaupt- und ÖVP-Obmann Günther Platter seine Nationalratsabgeordneten gegen Beschränkungspläne der Bundespolitik aufmarschieren lassen. Und zwar mit der unverhohlenen Drohung, dass sie sich notfalls dagegenstellen würden. Womit die türkis-grüne Mehrheit auf parlamentarischer Ebene schwer gefährdet gewesen wäre.

Das sind Konflikte, die dem roten Streit mit Doskozil um nichts nachstehen. Sie werden aber kaum parteipolitisch gesehen. Es ist jedenfalls keine Schlagzeile überliefert, wonach die Volkspartei unter Druck gerate. Woher kommt das? Zunächst einmal ist Doskozil natürlich ein bekannter Gegenspieler von Rendi-Wagner; das schwingt immer mit. Kurz hat in seinen Reihen keinen solchen. Umgekehrt geht Rendi-Wagner zunehmend offen in die direkte Auseinandersetzung mit ihrem Genossen aus dem Burgenland. Mögliches Motiv (neben gesundheitspolitischen): Gegenüber einem Teil der Partei könnte sie sich damit profilieren.

Ein entscheidender Unterschied ist jedoch dieser: Selbst in der Pandemie ist Kurz bisher nie – öffentlich wahrnehmbar – auf Konfrontationskurs mit einem seiner Landeshauptleute gegangen. Obwohl es mehr als genug Anlässe gegeben hätte: In Tirol bzw. mit Platter nach „Ischgl“ oder im Februar nach Aufkommen „südafrikanischer“ Mutationsfälle und der Weigerung, ebenso unverzüglich wie entschlossen dagegen vorzugehen.

Der Kanzler und ÖVP-Chef sucht sich seine Gegner gezielt aus – oder stellt sich erst gar keinem Duell. Im konkreten Fall hat er die Sache Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) im Wissen überlassen, wie groß die realpolitische Ohnmacht eines Bundespolitikers sein kann – und natürlich wohl auch aus der Überlegung heraus, dass es Platter in Tirol nicht schadet, auf Barrikaden zu stehen und sich gegenüber „Wien“ zu behaupten, während er persönlich unbeschadet hervorgeht aus der ganzen Sache.

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