Partei entscheidet

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BERICHT. Gleichbehandlungskommission: Gutachten zeigen, dass Diskriminierungen aufgrund der Weltanschauung im öffentlichen Dienst keine Seltenheit sind. Eine Durchsicht anlässlich des Falles ÖVP/Berchtold.

Ein Beamter, der dem Innenministerium zugeordnet ist und in einem Landeskriminalamt arbeitet, bewirbt sich um die Leitung einer Abteilung in einer Landespolizeidirektion. Zum Zug kommt er nicht. Warum? Er erfährt, dass das Kabinett des zuständigen Bundesministers „bedingungslos hinter dem nunmehr ernannten Kollegen“ stehe. Dieser sei Mitglied der ÖVP und parteiintern gut vernetzt. Selbst sei er aufgrund seiner länger zurückliegenden Funktion als Personalvertreter der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) eindeutig einer derzeitigen Oppositionspartei zuordenbar; der SPÖ. Ist ihm das zum Verhängnis geworden? Die Bundes-Gleichbehandlungskommission, an die er sich wandte, ortet eine Diskriminierung aufgrund seiner Weltanschauung, sagt also ja.

Zu entnehmen ist dies dem Gutachten der Kommission, das wie all die anderen hier anonymisiert ausgewiesen ist. Beamte, die sich bei einer Postenbesetzung aus weltanschaulichen Gründen benachteiligt fühlen, können sich an sie wenden. Ihr Senat II geht der Sache nach, führt Befragungen durch und urteilt schließlich.

Der eingangs zitierte Fall ist den Entscheidungen aus dem Jahr 2022 zu entnehmen. Es liegt nahe, dass er sich nach 2019 zugetragen hat, als das Innenministerium nicht mehr dem heutigen FPÖ-Chef Herbert Kickl unterstand, sondern seither ÖVP-geführt ist. Zunächst in Person des nunmehrigen Kanzlers Karl Nehammer, seit Dezember 2021 in jener von Gerhard Karner.

Die Diskriminierungen, die im vergangenen Jahr festgestellt wurden, ereigneten sich durchwegs in türkisen Ressorts. Klar: Rote, blaue oder pinke gibt es keine (mehr), grüne sind in der Minderheit. Wesentlich scheint aber auch, dass Türkise nicht zuletzt über ihre Gewerkschafter und Personalvertreter dazu neigen, Parteiinteressen im öffentlichen Dienst durchzusetzen.

Das zeigt ein Blick in die entsprechenden Gutachten. Das bekannteste ist zuletzt vielfach erwähnt worden: Darin geht es um die Bestellung von Ex-Sebastian-Kurz-Sprecher Etienne Berchtold zum Botschafter in Abu Dhabi. Laut Gleichbehandlungskommission war da Parteipolitik im Spiel.

Andere, bestätigte Diskriminierungen schlagwortartig zusammengefasst:

Eine Lehrerin möchte Direktorin einer HAK/HAS werden. Ihr Problem: Sie ist keiner Partei zuordenbar und wird daher nicht Direktorin. Die erfolgreiche Mitbewerberin hatte es besser: Der Beamte, der im Bildungsministerium für die Bewerbungen zuständig war, habe sich auf der Kandidatenliste des ÖAAB-FCG für den Dienststellenausschuss befunden. Die Bildungsdirektorin sei als ÖAAB-Funktionären politisch verortet. Die für die Schule zuständige Landesschulinspektorin sei ebenfalls diesem politischen Backgrund zuzuordnen. Und die Vorsitzenden im Dienststellen- sowie im Fachausschuss würden der Fraktion Christlicher Gewerkschafter angehören, die die Mitbewerberin „massiv“ unterstützt habe.

Ein Beamter in einem Stadtpolizeikommando möchte vom stellvertretenden zum Hauptsachbearbeiter aufsteigen. Er sei der bestgeeignete Kandidat gewesen, hatte jedoch Pech: Es ist seit jeher bei den sozialdemokratischen Gewerkschaftern. Ihm wurde ein weniger geeigneter Mandatar der ÖVP-nahen christlichen Gewerkschafter vorgezogen. Bereits bei der Bewerbung habe man ihm gesagt, dass er das „falsche Parteibuch“ habe.

Ein Exekutivbediensteter wollte stellvertretender Referatsleiter in einem Stadtpolizeikommando werden. Er ging leer aus. Sein Handicap: Innerhalb des Innenministeriums sei er weltanschaulich „eher auf der liberalen Seite angesiedelt“, mache aber auch keinen Hehl daraus. Darüber hinaus führte er laut Gleichbehandlungskommission, die eine Benachteiligung aufgrund der Weltanschauung bestätigte, aus: „Vielleicht habe er für den Polizeidienst eine zu hohe soziale Ader, es sei jedenfalls bekannt und der Leiter des Referates X habe dies schon öfter kundgetan. Im Endeffekt sei alles, ob das jetzt das Eintreten für … und …, die … oder … betroffen habe, „links-link“ gewesen.“

Im Landwirtschaftsministerium wollte eine Beamtin Abteilungsleiterin werden. Die Führung hatte offenbar von vornherein eine Kollegin im Auge, die es dann auch geworden ist. Gleich im Auswahlverfahren ist der unterlegenen Kandidatin merkwürdiges passiert. Wenn man es liest, könnte man glauben, sie sei gemobbt worden. Im Protokoll der Begutachtungskommission sei ihr etwa unterstellt worden, erklärt zu haben, „ein bisschen altmodisch, loyal“ zu sein. Gesagt habe sie jedoch, „dass ich mich mit einem vielleicht altmodischen Begriff als treu und loyal bezeichnen würde“.

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