ANALYSE. ÖVP und FPÖ setzen nicht immer das um, was sie den Wählern angekündigt haben. Doch das war absehbar. Zwei Beispiele.
„Zwei Drittel der Bevölkerung stehen dem Handelsabkommen (CETA; Anm.) skeptisch bis negativ gegenüber, daher kann man hier nicht einfach über die Köpfe der Österreicher hinwegentscheiden“, befand FPÖ-Chef Heinz Christian-Strache im Jänner 2017, um wenig später eine Volksabstimmung gegen CETA und TTIP zu fordern: „Die Österreicherinnen und Österreicher wollen diese Abkommen nicht“, ließ er in einer Aussendung wissen: „Und wir stehen auch hier auf der Seite der Bevölkerung.“
Wenn man ihn wörtlich nimmt, bedeutet das naturgemäß, dass er heute als Vizekanzler nicht mehr auf der Seite der Bevölkerung steht, sondern selbst den Beweis antritt, dass es möglich ist, über die Köpfe der Österreich hinwegzuentscheiden: Die Regierung steht kurz vor dem CETA-Beschluss, berichtet beispielsweise die „Wiener Zeitung“. Es sei „genug diskutiert“, bestätigt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gegenüber „Österreich“.
Themenwechsel: Nach dem EU-Austritt Großbritanniens müsse es zu Anpassungen des EU-Budgets kommen, hieß es im ÖVP-Programm zur Nationalratswahl 2017. Diese Anpassungen sollten „insbesondere in der Bürokratie erfolgen und nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Nettozahler führen“. Ja Österreich ist Nettozahler. Und das betont auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) immer wieder. Und zwar mit dem Untertitel: Mehr geht nicht. Umso mehr überraschte Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) nun in einem „Standard“-Interview: „Ich gestehe ein, dass wir bei der Formulierung vielleicht einen positiveren Formulierungsansatz hätten finden können.“
„Das heißt, auch wir sind bereit, mehr einzuzahlen.“ (Finanzminister Löger)
Laut Löger ist es nämlich so: „Wenn das EU-Budget bei einem Prozent Bruttonationaleinkommen (BNE) aller künftig nur 27 EU-Staaten gehalten wird, entsprechen diese zehn Milliarden Euro Mehrleistung von Deutschland dem, was an Wirtschaftswachstum erwartet wird. Das gilt auch für Österreich. Wir werden genau diese Steigerung in dieser Form mit einbringen. Das heißt, auch wir sind bereit, mehr einzuzahlen. Wir wissen, dass es mehr sein wird.“
Womit man sowohl beim EU-Beitrag als auch bei CETA von einem mehr oder weniger deutlichen Wortbruch sprechen kann. Oder davon, dass Vernunft eingekehrt ist: Zumal Österreich im zweiten Halbjahr den EU-Vorsitz führt und damit eher eine Vermittlerrolle einnimmt, kann es sich Extrempositionen nicht leisten. Und beim Europäischen Haushalt bedeutet weniger eben auch weniger Rückflüsse in Form von Agrar- und Regionalförderungen, die zusammen mehr als 90 Prozent davon ausmachen. Solche Dinge wären jedoch absehbar gewesen.