Belebte Demokratie

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KOMMENTAR. Neben Türkis-Grün auf Bundesebene ist ein rot-pinkes Wien grundsätzlich gut und wichtig für Österreich.

Man kann und muss das Arbeitsprogramm der rot-pinken Wiener Stadtregierung genauso kritisch beleuchten wie das der türkis-grünen Bundesregierung. Ein Ergebnis davon ist hier schon beleuchtet worden: An der halbseidenen Förderung des Boulevards in Form millionenschwerer „Medienkooperationen“ wird sich wohl kaum etwas ändern; dafür haben die Neos den Sozialdemokraten von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ganz offensichtlich keine verbindlichen Zusagen abringen können (mehr dazu in diesem Text).

Sehr viel spricht jedoch dafür, dass das Roten wie Pinken kaum schaden wird; dass eine übergeordnete Erzählung, die sie gar nicht erst erfinden müssen, viel wichtiger ist für sie: Dass sie nämlich die wahre Opposition zu ÖVP und Grünen von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler bilden.

Das ist etwas, was grundsätzlich gut und wichtig ist für die österreichische Politik: Hier herrscht kein Mangel an autoritären und diskursfeindlichen Zugängen, sondern ein Viel-zu-wenig an Offenheit und vor allem auch Wettbewerb. Wenn August Wöginger, Andreas Khol oder Reinhold Lopatka von „unseren Werten“ sprechen, dann meinen sie eine ländliche Ordnung, in der frei nach George Lakoff allein ein „strenger Vater“ das Sagen hat, der im Fall des Falles schon einmal auf den Tisch haut. Migration ist schlecht, Flüchtling sind fernzuhalten. Kinder haben zu gehorchen. Punkt.

Seit sich die Grünen mit der ÖVP zusammengetan und damit gewissermaßen selbst neutralisiert haben, wirkt all das zu alternativlos; ist die parlamentarische Bühne – auch in Folge der Pandemie – zu sehr in den Hintergrund gerückt worden, als dass sie den dortigen Oppositionsvertreter mit teilweise vorhandenem Unvermögen dazu dienen könnte, dagegenzuhalten.

Die Stadtregierung für zwei Millionen Menschen, die in Wien leben, bietet ganz andere Möglichkeiten, um diese Funktion erfüllen zu können. Zumal die Neos hier im Unterschied zu den Grünen kaum Rücksicht auf irgendwelche Freunde „im Bund“ nehmen müssen.

Wien eignet sich hervorragend, ein Gegenmodell zu Türkis-Grün zu praktizieren: Im Umgang mit Diversität inkl. unterschiedlichen Herkünften, Denkweisen und Lebensmodellen, Europa, Kunst, Kultur, Universitäten (bzw. Wissen), Flüchtlingen etc. Alle profitieren davon; auch die neue ÖVP von Sebastian Kurz, die endlich jemanden hat, der sie substanziell herausfordern könnte und an dem sie sich reiben könnte.

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