Totengräber Europas

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ANALYSE. Auf die EU ist leicht schimpfen in Zeiten wie diesen. Das Problem sind jedoch Mitgliedsländer. Ein Blick auf Österreich, Ungarn.

„Die EU“ macht wirklich keine gute Figur zu Beginn der Coronakrise. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meinte am Wochenende in der „Kronen Zeitung“, dass sie sich nach der Krise „eine kritische Diskussion und Auseinandersetzung damit gefallen lassen“ müsse. Punkt. Zumal man erahnen kann, wie das bei sehr vielen Leserinnen und Lesern ankommt, fügte die APA zwei entscheidende Sätze hinzu: Erstens, aus den Ausführungen werde nicht klar, ob Kurz die Kommission oder den Rat meine. Zweitens, die Kommission habe im Gesundheitsbereich nämlich praktisch keine Zuständigkeit.

Ein bisschen ist das wie bei der Flüchtlingskrise: Auch da galt es als offenkundig, dass „die EU“ versagt hat. In Wirklichkeit sind es jedoch die Mitgliedstaaten gewesen, die eigene Wege gegangen sind und so ein gemeinsames Agieren unmöglich gemacht haben. Sprich: Die EU musste in diesem Fall eine hundsmiserable Figur machen.

Ohne es auszusprechen, kann der Kanzler im Zusammenhang mit der Coronakrise also nur den Rat gemeint hat. Und das ist das Gremium der nationalen Regierungen, also der 27, zu denen auch Österreich gehört. Sprich: Der Hinweis von Kurz, dass man sich hinterher einer kritischen Auseinandersetzung stellen müsse, kann zurecht nur an sich selbst und seinesgleichen gerichtet sein. Motto: Wir müssen in Zukunft besser zusammenarbeiten.

Ob Kurz das in der Boulevardzeitung über die Rampe bringen wollte, ist jedoch zu bezweifeln. Es wird schon einen Grund haben, dass er es nicht getan hat. Vor allem aber beweist sein Umgang mit der Aussetzung demokratischer Standards in Ungarn, dass es ihm eher nur um EU-Bashing gegangen sein dürfte. Viktor Orbans De-facto-Selbstermächtigung, zu bestimmen, wie lange er ohne Parlament mit Dekreten regieren darf, kommentiert Kurz bisher nicht einmal.

In der ÖVP-Zeitung „Volksblatt“ ist zu lesen: „Aus dem Bundeskanzleramt hieß es gegenüber der APA, derzeit sei man voll gefordert durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.“ Das ist natürlich eine Ausrede. Für die Aussagen über die EU bleib Kurz ebenso viel Zeit, wie wenig später für einen Tweet zu Entwicklungen in Venezuela, Ja, in Venezuela.

Ungarn wäre und ist näher. Und überhaupt: Indem Österreich wegschaut, wenn ein EU-Mitgliedsland noch autoritärer wird, macht es sich mitschuldig. Anders ausgedrückt: Bei Freunden wie Österreich ist es für einem Mann wie Orban direkt eine Ermunterung, so weiterzumachen. Gute Nacht, EU-27.

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