Wer 2024 gewinnt

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ANALYSE. Oder: Warum die Aussichten nicht nur für Freiheitliche, sondern auch für Neos und Grüne besonders günstig sind.

Im Magazin „Fleisch“ hat Markus Huber etwas Wichtiges geschrieben über den derzeitigen Erfolg der FPÖ von Herbert Kickl: Sie schafft es Leuten zu vermitteln, dass sie einen gesunden Menschenverstand und das richtige Wertesystem haben und immer die richtigen Entscheidungen treffen. Das wollen sie hören. Kickl sagt es ihnen: „Wir sind die Mitte der Bevölkerung, wir sind die Partei der Normalität, des Hausverstandes.“ Das sollten sie mitnehmen.

Wahlanalysen legen den Schluss nahe, dass die FPÖ vor allem bei Menschen punktet, die von Abstiegserfahrungen oder -ängsten geplagt werden. Ökonomisch sind das oft Angehörige einer klassischen Mitte. Das sagt umgekehrt viel aus über den Zustand von ÖVP und SPÖ: Als Volks- im Sinne von Massenparteien müssten sie es sein, die hier auf Zuspruch stoßen. Aus vielen Gründen haben sie diesen jedoch stark verloren über die vergangenen Jahre. Heftiger für sie: Gerade in Phasen multipler Krisen haben sie zu wenig getan, um verbliebenen Zuspruch zu halten. Türkise waren nach dem Abgang von Sebastian Kurz mit sich selbst beschäftigt und haben bis heute nicht mehr auf die Beine gefunden, Sozialdemokraten haben sich „lieber“ auf die Ablöse von Pamela Rendi-Wagner konzentriert.

Kickl musste unter diesen Umständen nicht viel tun, um zu gewinnen. Ein paar Botschaften haben genügt. Den Frauen und Männern mit den Abstiegserfahrungen und -ängsten, die all die Unsicherheiten und Veränderungen nicht ertragen, vermittelt er: Ja, es geht Euch schlecht, weil Euch „die Eliten“ hängen lassen. Ich werde sie dafür bestrafen und sie treten. Ihr selbst seid ausschließlich Opfer. Ich werde dafür sorgen, dass alles wieder wird wie in der guten alten Zeit – geschlossene Grenzen, keine Flüchtlinge etc. Vergesst im Übrigen das Gerede von einer Klimakrise oder Political Correctness. Fahrt Auto, esst Schnitzel, lasst eure Frauen die Kinder wieder zu Hause erziehen, macht, was Euch gefällt. Es ist gut.  

Die einstigen Volksparteien merken, dass es da fünf vor zwölf für sie geschlagen hat. Karl Nehammers und Johanna Mikl-Leitners Versuche, einen Normalitätsbegriff zurückzuerobern, zeugen ebenso davon wie Andreas Bablers Bemühungen all jene zu umwerben, die sich schwertun, über die Runden zu kommen. Ob sie gegen die Welt, die Kickl ihren Ex-Wählern konstruiert hat, noch ankomme können, ist jedoch fraglich.

Bei aller Aufmerksamkeit für Kickl sowie den türkisen und sozialdemokratischen Reaktionen auf ihn geht jedoch etwas unter: Im Kern geht es hier um viele, aber „nur“ um – sagen wir – 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Es gibt daneben sehr viele andere, die von ÖVP und SPÖ vernachlässigt oder überhaupt ignoriert werden.

Es sind dies zum Beispiel Menschen, die Krisen und auch die Gefahr sehen, dass es zu (weiteren) Verschlechterungen für sie selbst komme könnte. Ihre Antwort darauf ist aber nicht „Volkskanzler“, Nationalismus und Jetzt-erst-recht-wieder-leben-wie-in-alten-Zeiten. Sie stehen für das glatte Gegenteil von alledem, für eine Stärkung der Demokratie und für Mitwirkung an der bestmöglichen Bewältigung von Herausforderungen über ein gemeinsames Europa etwa.

Ihnen bieten sich im Moment vor allem Neos und zunehmend wieder Grüne an. Neos, sofern sie mehr unternehmerisch agieren, Grüne, sofern die Klimakrise einen besonderen Stellenwert hat für sie.

Die Regierungsbeteiligung wird den Grünen am Ende nicht einmal zum Nachteil gereichen müssen, sofern Babler ihre Klientel weiterhin links liegen lässt. Und sofern er aus taktischen Gründen das zur neuen Regel macht, was er vor wenigen Tagen in einem Puls24-Interview getan hat: Eine Koalition mit der FPÖ nicht mehr unmissverständlich ausschließen. Auf die Frage, ob er mit Kickl verhandeln würde, ließ er jedenfalls wissen: „Das können wir gerne diskutieren, wenn das Ergebnis über der Ziellinie ist.“ Werner Kogler und Co. griffen das gerne auf, um zu vermitteln: Wer ohne Kickl als Kanzler aufwachen möchte, muss unter diesen Umständen uns wählen. Wir sind es, die für das andere Österreich stehen.

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