Von wegen „Kickl-FPÖ“

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ANALYSE. EU-Wahl-Spitzenkandidat Vilimsky steht dafür, dass nicht nur der Chef die freiheitliche Partei aus dem Verfassungsbogen kippt: Hier ist eine radikale Gruppe am Werk, die noch dazu einen langen Atem hat – und weiß, dass es mit einer Regierungsbeteiligung so schnell nichts werden könnte.

Bei der ÖVP ist die Sprachregelung klar: Keine Koalition mit der Herbert Kickl-FPÖ. Sprich: Mit einer FPÖ ohne Herbert Kickl könnte es sich ausgehen. Bei der SPÖ ist für Andreas Babler keine Zusammenarbeit denkbar – weder mit einer Kickl- noch mit einer Ohne-Kickl-FPÖ. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil würde sich eine solche Option zumindest einmal anschauen.

Als würde das noch einen großen Unterschied machen: Die Reihen hinter Kickl sind geschlossen. Niemand hat ein Problem mit ihm und dem, was er sagt. Vor allem aber findet in diesen Reihen eine Radikalisierung satt: Wiens Stadtparteiobmann Dominik Nepp hat am Wochenende gesagt, wegen einer überbordenden Asylkriminalität und einer Belastungslawine müsse „der Räuber Rathausplatz Ludwig (…) verjagt“ werden. Die Formulierung „Räuber Rathausplatz Ludwig“ verwendet er schon länger. Gemeint sind Rathaus und Michael Ludwig. Viellicht glaubt Nepp, den Angriff so rechtlich etwas weniger verfänglich machen zu können. Vielleicht meint er, es sei originell. Es bleibt jedenfalls eine Kriminalisierung eines politischen Mitbewerbers, wie sie Kickl (Stichwort Fahndungsliste) ebenfalls betreibt und wie sie Nepp in Wirklichkeit sogar weitertreibt: Ludwig gehöre „verjagt“, meint er. Es steht für Selbstjustiz statt Abwahl.

Und dann ist da noch EU-Wahl-Spitzenkandidat Harald Vilimsky. Er spielt so offen mit einem Öxit, wie es zuletzt FPÖ-Mann Norbert Hofer vor der Bundespräsidenten-Wahl 2016 getan hat: Man stelle sich „einen roten Knopf vor, um Österreich aus dem EU-Irrsinn herauszuholen“, meint er: „Ich würde keine Millisekunde zögern, auf diesen Knopf zu drücken.“ Andererseits würde er schon gerne in der EU bleiben und dies schaffen: Einen Kommissar „für Remigration“.

These: Die FPÖ nimmt sich geschlossen und bewusst aus dem Regierungsrennen. Genauer: Vorerst ist ihr dieses Rennen vollkommen egal. Das ist jedoch das Gefährliche: Kickl und seine Leute legen keinen Wert darauf, staatstragend, europäisch und kompromissfähig zu wirken. Diese Gruppe weiß, dass es in jedem Fall eine Mehrheit gegen sie geben wird und dass sie nicht fix damit rechnen kann, dass sich die ÖVP, die Kickl in der Causa Ott bereits Landesverrat vorwirft, auf eine Zusammenarbeit mit ihr einlässt (sofern eine solche überhaupt auf mindestens 92 von 183 Nationalratsmandaten kommen wird). Außerdem weiß sie, dass sie ihre 25 bis 30 Prozent nur dann auch bei einer Wahl erreichen kann, wenn sie genau so weitermacht wie sie es seit der Coronapandemie tut.

Drittens weiß sie – man muss es wiederholen -, dass sie nur zuwarten muss. Dass Kickl jetzt sogar froh sein müsste, keinen Regierungsbildungsauftrag zu erhalten, wenn die FPÖ zwar erste ist, sich Blau-Türkis aber nicht ausgeht; oder vielleicht nur ganz, ganz knapp. Das wäre übel für ihn: Er müsste das Gerede von einer „Einheitspartei“ aufgeben und auch auf SPÖ, Grüne und Neos in einer Art und Weise zugehen, dass der Eindruck entsteht, er meine es ernst. Da könnte er sich dann nicht mehr so einfach spielen.

Weder staatstragend noch europäisch noch kompromissfähig wirken: Das ist das Leitmotiv freiheitlichen Handelns und dabei wird gerne auch in Kauf genommen, dass es erst in fünf Jahren soweit sei könnte mit einem „Volkskanzler“. Bis dahin werden „das System“ (der Staat) getreten, antieuropäischer Nationalismus gepflegt und alle, die anderer Meinung sind, als „Volksverräter“ abqualifiziert oder „verjagt“.

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