ANALYSE. Die Verteidigungsministerin fixiert nur, was läuft: Rückzug aus der internationalen Politik, Zuwendung zu Folklore und einem zweckentfremdeten Machtinstrument.
Für 2020 hat Ex-Verteidigungsminister Thomas Starlinger die Pleite des österreichischen Bundesheeres in Aussicht gestellt, seine Nachfolgerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat sie nun lediglich bestätigen wollen: Verteidigungsaufgaben sollten der Truppe im Wesentlichen erspart werden. Wozu auch? Mit einer Panzerschlacht auf dem Marchfeld ist nicht mehr zu rechnen. Abgesehen davon würde auch die Ausrüstung dazu fehlen. Und internationale Aufgaben, zum Beispiel im Rahmen der „Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“, interessieren uns ohnehin nicht mehr. Ja, „uns“ steht in diesem Fall für das offizielle Österreich. Auch wenn’s weh tut: „Wir“ öffnen, schließen und schützen unsere Grenzen selber. Wäre auch zu mühsam, sich mit 27 EU-Mitgliedsländern abzustimmen.
Wie auch immer: Tanner ließ sich vom Bundespräsidenten zurückpfeifen. Was aber ändert das? Das Heer bleibt de facto pleite. Sprich: So lange Tanner keine militärische Aufgabe definiert, die in eine größere Sicherheitspolitik eingebettet ist; und so lange sie die Truppe nicht entsprechend modernisiert, kann sie sagen, dass Verteidigung wichtig ist oder nicht; praktisch bleibt sie unmöglich.
Das ist so ähnlich wie mit dem Neutralitätsbekenntnis: Das kommt so gut wie jedem Politiker über die Lippen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betrachtet die Neutralität als Teil der österreichischen Identität. Womit er sich wenigstens auf eine Gefühlsebene beschränkt. Den Anforderungen, die an die Neutralität geknüpft wären, wird man nicht gerecht; dazu würde nämlich auch die Aufrechterhaltung einer umfassenden Landesverteidigung zählen.
Ein Sündenfall der ÖVP war die Volksbefragung 2013, bei der sie sich (mit großen Erfolg) für eine Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht für Männer eingesetzt hat. Wobei das Bemerkenswerte eben war, dass es hier nicht um Sicherheit und Verteidigung ging, sondern (erstens) um den Zivildienst, der indirekt damit zusammenhängt; und (zweitens) um den Katastrophenschutz. Die Volkspartei hat das Heer damit offiziell zweckentfremdet bzw. die Kernaufgabe (Sicherheit und Verteidigung) aufgekündigt.
Tanner setzt das nun fort. Rückzieher hin, Rückzieher her. Die Fakten sind geschaffen. Und wenn Tanner auf Umfrageergebnisse verweist, dann erinnert sie daran, dass sie hier durchaus populär unterwegs ist. Man muss nur wissen, welche Heereskulissen man weiterhin stehen lässt. Gerald Klug (SPÖ), ein ehemaliger Verteidigungsminister, hat sich die größten Probleme in seiner Amtszeit (März 2013 bis Jänner 2016) beispielsweise damit eingehandelt, dass er bei den Militärmusikkappellen sparte. Was sein Nachfolger Hans Peter Doskozil (SPÖ) umgehend zur „Causa prima“ erklärte und zurücknahm. Signal: Es geht um Trompeten, nicht um Waffen!
Man muss jedoch präzise sein: Das Heer ist keine Armee mehr, es wird allenfalls als solche bezeichnet. Und daneben bleibt viel mehr als Folklore, nämlich ein ganz wichtiges Machtinstrument, das heute überwiegend ÖVP-Vertretern zugute kommt: Landeshauptleuten, wenn sie Soldaten für Hilfsdienste im Katastrophenfall brauchen; und dem Innenminister, wenn es um die Abwehr von Flüchtlingen und Migranten an den Grenzen geht.
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