ANALYSE. Warum der Partei im Hinblick auf die Nationalratswahl im September nicht einmal mehr eine Randi-Wagner-Ablöse etwas bringen würde.
Ganz ehrlich: Morgen wird gewählt. Nein, natürlich nicht morgen in dem Sinne, dass uns nur noch eine Nacht davon trennt, sondern in dem Sinne, dass kaum noch Zeit für wirkungsvolle Wahlkampagnen bleibt. Ganz egal, ob Mitte oder erst am 29. September gewählt wird. Der Sommer ist praktisch schon da; und damit auch schon die Zeit, in der Herr und Frau Österreicher irgendwo, aber allenfalls nur noch am Rande beim Politischen sind. Bleiben danach drei, vier Wochen bis zum Urnengang, in denen alle Kandidaten gleichzeitig auf der Bühne stehen werden und es ein TV-Duell nach dem anderen geben wird.
Umso bemerkenswerter ist der Zustand der SPÖ: Sie tritt auch zehn Tage nach ihrer EU-Wahl-Niederlage (unfreiwillig) eher nur durch Berichte in Erscheinung, die von ihrer Krise zeugen. Die letzten erfolgreichen Genossen, wie der Kärntner Peter Kaiser, geben sich zunehmend genervt. Gerüchte, wonach Pamela Rendi-Wagner noch schnell durch Gerhard Zeiler ersetzt werden könnte, machen die Runde. Und zwischendurch sickert irgendwoher die Meldung durch, dass ausgerechnet die Partei mit dem schlechtesten Außenauftritt einem „Berater“ schlappe 20.000 Euro überweise. Pro Monat.
Wo bleibt die Erzählung? Darauf ist wohl vergessen worden.
Die SPÖ ist mehr denn je ein Zustand: Sie hat es in den vergangenen eineinhalb Jahren seit der Nationalratswahl 2017 nicht geschafft, ein Thema zu setzen, das sich länger als zwei, drei Tage hält und dem alle übrigen Mitbewerber bis hin zu Sebastian Kurz folgen müssen. Versuche gab es. Rendi-Wagner setzte beispielsweise auf die hohen Wohnkosten. Besonderes konsequent ist sie dabei jedoch nicht gewesen.
Und wenn sie es gewesen wäre: Selbstverständlich sind Wohnkosten für sehr viele Menschen ein großes Problem. Aber lassen sich allein damit Wahlen gewinnen? Geht es in Zeiten wie diesen aus Sicht der Opposition nicht eher darum, eine grundsätzlich andere Erzählung zu liefern, als sie von Schwarz-Blau geboten worden ist? Die Grünen haben jedenfalls eher eine solche, indem sie sich in Person von Rudi Anschober, aber auch Werner Kogler, für einen anderen Umgang mit Asylwerbern und Flüchtlingen einsetzen. Oder die NEOS, die sich im EU-Wahlkampf leidenschaftlich pro-europäisch positioniert haben.
Wofür brennt die SPÖ? Gut, das führt jetzt zu weit.
Was genau aber ist das Alleinstellungsmerkmal der SPÖ? Wofür brennt sie? Zugegeben, das sind rhetorische Fragen, die zu weit führt. Die Partei kommt nicht einmal soweit, sich damit zu beschäftigen. So schwer sich Rendi-Wagner damit getan hat, das Misstrauensvotum gegen die Regierung Kurz zu begründen, so zurückhaltend ist sie seither. Da gibt es ganz offensichtlich nicht einmal eine Vorstellung von einer Erzählung, die die Massen bewegen könnte.
Zu glauben, Gerhard Zeiler könnte das ändern auf die Schnelle, ist naiv. Der Mann müsste die Löwelstraße (Parteizentrale) umbauen, mit einem neuen Team eine Kampagne entwickeln, Netzwerke aufbauen etc. Er allein könnte nur bedingt wirkungsvoll sein. Siehe ÖVP: Sebastian Kurz ist nicht Sebastian Kurz allein. Er hat seine Vorsitzübernahme vor zwei Jahren ewig und vor allem professionell vorbereitet: Was wie sagen, wen um sich scharen und so weiter und so fort.
Die Wiener SPÖ erschwert ein Gegenprogramm zu Schwarz-Blau.
Die ÖVP-Funktionäre bis hinauf zu den Landeshauptleuten haben sich zudem bedingungslos hinter Kurz gestellt. Ob Sozialdemokraten zu einer solchen Selbstaufgabe bereits wären, ist zu bezweifeln, ja undenkbar. Beispiel Michael Ludwig: Strategie des Wiener SPÖ-Vorsitzenden und Bürgermeisters ist es, ein bisschen anders, aber wie Kurz auf Bundesebene potenzielle FPÖ-Wähler zu umwerben. Verbote sind folglich an die Stelle linksliberaler Zugänge getreten. Und das wiederum ist alles andere als ein Gegenprogramm zu Schwarz-Blau, wie es die SPÖ für einen Nationalratswahlkampf bräuchte. Also ist ein solches auch von daher erledigt.