Schrei nach Kickl

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ANALYSE. Die Freiheitlichen sind dabei, sich selbst zu neutralisieren: Hofer ist schon einmal ein geschwächter Obmann. Das verschafft Sebastian Kurz sehr viel Luft.

Norbert Hofer geht’s zumindest in dieser Hinsicht wie Reinhold Mitterlehner: Er ist Parteichef, neben ihm gibt’s aber einen, der bei den Anhängern viel besser ankommt. Bei Mitterlehner, dem ehemaligen ÖVP-Obmann, war das Sebastian Kurz; das Ergebnis ist bekannt. Bei Hofer ist dies Herbert Kickl; das Ergebnis ist absehbar.

Schon im Wahlkampf war es offensichtlich so, dass die blauen Herzen dem bisherigen Innenminister zuflogen. Jetzt wird das auch noch durch das Vorzugsstimmen-Ergebnis deutlich: Laut APA hat Kickl mit über 60.000 Stimmen bisher um rund 25.000 mehr zusammengebracht als Hofer und diesem damit auch noch den ersten Listenplatz „weggenommen“. Das ist der Stand nach Auszählung in acht Bundesländern. Nur Wien ist noch offen; das umzudrehen sei für Hofer jedoch schier unmöglich.

Was das heißt, ist klar: Die FPÖ-Wähler wollen keinen braven Hofer-Kurs, der darauf hinausläuft, um fast jeden Preis wieder als Juniorpartner der neuen Volkspartei von Sebastian Kurz in die Regierung zu gehen. Sie wollen brutale Ausländerpolitik; akzeptiert Kurz diese, ist es okay, tut er es nicht, bleibt die Opposition.

Hofer hat unter diesen Umständen so gut wie keine Perspektive als Parteichef: Sein Problem ist, dass das, was er verkörpert, Kurz besser kann. Also würde die Partei unter seiner Führung eher nur weiter verlieren. Kickl wird aufgrund seiner Kompromisslosigkeit ganz offensichtlich mehr zugetraut.

Für die FPÖ insgesamt verheißt das nichts Gutes: Mit Kickl hat sie schon einen heimlichen Vorsitzenden, der auch mächtigen Leuten wie dem oberösterreichischen LH-Stellvertreter Manfred Haimbuchner kaum ins Konzept passen kann. Haimbuchner ist rechts, aber auch pragmatisch; schließlich gehört er ja auch einer schwarz-blauen Koalition an. Kickl ist nur rechts; und das auch noch scharf. Da sind Konflikte vorprogrammiert.

Und überhaupt: Für Wien, einer potenziellen FPÖ-Hochburg, sind die Aussichten im Hinblick auf die Gemeinderatswahl im kommenden Jahr so, dass rein aus freiheitlicher Sicht eigentlich nur mit einem Mann wie Kickl an der Spitze eine Katastrophe verhindert werden kann. Mit staatsmännischem Gehabe ist in den Flächenbezirken nichts zu holen für die Partei. Ganz besonders, wenn daneben auch noch Heinz-Christian Strache mit einer eigenen Liste antritt.

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Doch zurück zur Bundesebene, wo ja auch eine Regierungsbildung ansteht: Will ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht wortbrüchig werden, muss er das mit Schwarz-Blau II jetzt endgültig lassen. Entscheidend sei, welcher Flügel sich bei den Freiheitlichen durchsetze, hatte er im Wahlkampf immer wieder gesagt. Jetzt weiß er’s, jetzt weiß es ganz Österreich. Mit Hofer hätte er einen Vizekanzler an seiner Seite, der in der eigenen Partei nicht viel zu melden hat; und das ist keine Grundlage für eine handlungsfähige Regierung.

Andererseits gewinnt Kurz sehr viel Zeit und Luft, unter andrem auch für eine Minderheitsregierung: Eine Mehrheit gegen ihn, wird’s so schnell nicht geben. Die SPÖ ist, soweit man in die Zukunft blicken kann, mit sich selbst beschäftig. Dasselbe gilt für die FPÖ; da müssen sich die Dinge erst ordnen.

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