ÖVP hält Schnellgericht

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ANALYSE. Für die Kanzlerpartei ist die Unschuld von Wolfgang Sobotka bereits erwiesen. Damit signalisiert sie, dass sie alles aussitzen möchte. Einzig Van der Bellen könnte das durchkreuzen.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) habe „ganz klar aus dem Weg geräumt, dass hier etwas sein könnte“, stellte sein Parteikollege, Finanzstaatssekretär Florian Tursky, in der ORF-Pressestunde fest. Damit sprach er keine Unschuldsvermutung aus, wie sie Sobotka zusteht, sondern eine Unschuldsfeststellung.

Es entspricht dieser Art Litigation PR, die nicht so sehr darauf ausgerichtet ist, die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu beeinflussen, sondern die allgemeine Wahrnehmung von Affären. Sebastian Kurz (ÖVP) betrieb sie für sich selbst, als er auf die jüngst bekannt gewordenen Aussagen von Thomas Schmid mit einem Tonbandmitschnitt antwortete, die diese klar widerlegen würden. Und Turksy versuchte ähnliches nun eben für Sobotka.

Wobei er nicht allein ist: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker (ÖVP) veröffentlichte über die „Kronen Zeitung“ eine Bestätigung des Steuerberaters des „Alois-Mock-Instituts“ wonach in den Jahren 2014 und 2015 keine Steuerprüfung angekündigt worden sei. Schmid hatte ja behauptet, Sobotka habe zur Verhinderung einer solchen Prüfung beim Institut (sowie bei der „Erwin Pröll Stiftung“) interveniert.

Stocker wartet schon darauf, dass sich alle, die Sobotka derlei zugetraut haben, bei diesem entschuldigen. Als hätte hier schon ein Schnellgericht geurteilt. Das ist Strategie: Die ÖVP wartet (wie Kurz) nicht etwa ein Ergebnis von Ermittlungen und weitere Schritte der Justiz ab, sie stellt jetzt fest, „es war nix“ und gibt sich zugleich auch schon empört, wenn man misstrauisch bleibt.

Karl Nehammer und Co. spielen hier auf Zeit: Die Ermittlungen werden noch dauern, allfällige Urteile wird es erst in mehreren Jahren geben; jedenfalls nach 2024, wenn spätestens die nächste Nationalratswahl stattfinden wird. Schwarz-Türkise machen jetzt reinen Tisch für sich; das reicht, um diese Legislaturperiode noch aussitzen zu können.

Und es ist auch ausreichend, um vielleicht die niederösterreichische Landtagswahl überstehen zu können. Man darf sich nichts vormachen: In Österreich ist Korruption noch immer zu sehr ein Kavaliersdelikt. Außerdem: In wenigen Wochen sind Affären, die heute für Schlagzeilen sorgen., eher keine großen Geschichten mehr. Zumal es einen Krieg in Europa, die Teuerung, Energieprobleme und vieles weitere gibt, das einer Masse sehr nahe geht – und wo Politik punkten kann (oder auch nicht).

Der größte Risikofaktor für die ÖVP ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen: Er hat eine bemerkenswerte Rede gehalten und zwei Tage nach Bekanntwerden der Schmid-Aussagen davon gesprochen, dass es bei den Vorwürfen nicht nur um Rechtliches gehe: „Es ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht.“ Nötig sei eine Generalsanierung.

Van der Bellen meint damit unter anderem wohl ein hartes Korruptionsstrafrecht, eine Objektivierung von Personalentscheidungen und die Einführung echter Informationsfreiheit, wie sie in den meisten Demokratien gegeben ist, nur halt in Österreich nicht, wo das Amtsgeheimnis gepflegt wird. Das eine oder andere wird sich in den nächsten Monaten vielleicht ändern. Die Frage ist eher, ob es reicht. Es sollte ja Substanz haben. Darüber zu befinden, behält sich nun de facto der Bundespräsident vor. Er betrachtet es als seine Pflicht.

So deutlich, wie er jetzt schon einmal geworden ist, hat er Maßstäbe gesetzt: Für das, was die ÖVP mit den Grünen zu liefern haben und für sich selbst. Die beiden Parteien werden sich hier kaum durchschwindeln können (zum Beispiel mit einer Informationsfreiheit mit so vielen Einschränkungen, dass sie dem bestehenden Amtsgeheimnis gleicht). Und Van der Bellen wird nur Substanzielles akzeptieren können. These: Im Falle des Falles wird er signalisieren müssen, dass er bereit wäre, die Regierung zu entlassen – zunächst einmal nur, um den Druck zu erhöhen. Immerhin geht es nicht um nichts, wie er selbst betonte.

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