ANALYSE. Genau genommen wäre ein Urnengang gleich notwendig, für SPÖ und ÖVP jedoch im Herbst gerade recht.
In der Sache kann man dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) nicht widersprechen: Die Nationalratswahl erst zum spätest möglichen Zeitpunkt, also im Herbst 2018, abzuhalten, ist nicht vernünftig. SPÖ und ÖVP sind schon jetzt miteinander fertig. Nicht zuletzt in europapolitischen Fragen tun sie sich schwer, zu einer gemeinsamen Linie zu finden; doch das wäre für den EU-Vorsitz in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres absolut notwendig.
Also ist es sinnvoll, die Österreicherinnen und Österreicher zum frühest möglichen Zeitpunkt zu den Urnen zu rufen. Vor dem Sommer geht es sich aufgrund des Fristenlaufs nicht mehr wirklich aus; in der Vorurlaubszeit ab Mitte Juni will niemand mehr mit einem Wahlkampf behelligt werden. Bleibt der Herbst, wie auch von Haslauer vorgeschlagen. Und was im Übrigen auch zumindest zwei (voraussichtlichen) Kanzlerkandidaten nur recht sein könnte: Amtsinhaber Christian Kern (SPÖ) und Herausforderer Sebastian Kurz (ÖVP). Wobei man korrekt sein sollte: Kurz würde ein solcher Zeitpunkt gerade noch und Kern gerade schon passen.
Noch hat Kurz die Themenführerschaft inne; dagegen ist ganz offensichtlich nicht anzukommen.
Einzig für den dritten im Bunde, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, ist’s aus heutiger Sicht zu spät: Für ihn hätte die Wahl schon im vergangenen Frühjahr stattfinden müssen. Wie nicht nur Umfragewerte, sondern auch die Ergebnisse des freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer zeigen, hatte er da mit seiner Partei die besten Zeiten. Seither geht’s eher bergab.
Doch zurück zu Kanzler und Außenminister: Kern hätte bei einem Urnengang erst im kommenden Jahr das Problem, dass seine SPÖ in eine Depression stürzen könnte. Bei den Landtagswahlen, die im Frühjahr anstehen, hat sie in Salzburg, Tirol und Niederösterreich nichts zu gewinnen; sie muss vielmehr einen Absturz in die Bedeutungslosigkeit befürchten.
So gesehen könnte es Kern mit der Wahl nicht schnell genug gehen. Wäre da nicht ein anderes Problem: Noch hat er die innenpolitische Themenführerschaft nicht erobert; noch hat Sebastian Kurz ebendiese mit Flüchtlingen, Integration, Türkei etc. inne. Dagegen ist ganz offensichtlich nicht anzukommen. Nicht einmal mit einen „Plan A“. Doch das wird sich wieder ändern. Und das ist das Risiko für Kurz: Zu wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen hat er noch keine Kompetenz entwickelt; setzen sie sich durch, ist folglich Kern im Vorteil, der schon länger darauf setzt.