Sexualstrafrecht: Verschärfung als „Show“?

BERICHT. Innsbrucker Strafrechtsprofessoren kritisieren Begutachtungsentwurf von Justizminister Brandstetter. 

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BERICHT. Innsbrucker Strafrechtsprofessoren kritisieren Begutachtungsentwurf von Justizminister Brandstetter.

Gesetzgebung verkomme zunehmend zur „Show“, stellt Moritz Moser auf NZZ.at fest. Zu selten geht es also darum, nur etwas zu regeln. Zu oft steht eine Botschaft im Vordergrund, die damit gegenüber der Öffentlichkeit vermittelt werden soll. Und dabei passieren halt auch Schlampigkeitsfehler, wie sie der Verfassungsdienst des Kanzleramtes im jüngsten Integrationspaket von Sebastian Kurz (ÖVP) ortet.

Jetzt liegt ganz offensichtlich ein weiteres Beispiel vor. Diesen Eindruck gewähren jedenfalls die Strafrechtsprofessoren Klaus Schwaighofer und Andreas Venier in ihrer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts, den Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) vorgelegt hat. Einleitend stellen die beiden, die an der Universität Innsbruck lehren, fest: „Der Entwurf bringt (…) zum xten Mal Verschärfungen im Sexualstrafrecht und ebenso zum xten Mal Verschärfungen ohne Evaluierung der geltenden Bestimmungen und Strafdrohungen.“

Anlass für diese Maßnahme sind sexuelle Übergriffe, die nach der Silvesternacht in Innsbruck angezeigt wurden. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Brandstetter sprachen sich damals umgehend für die nun geplanten Verschärfungen aus.

Schweighofer und Venier sehen das kritisch: „Nach § 218 Abs 2a StGB-Entw soll mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden, wer wissentlich an einer Zusammenkunft mehrerer Menschen teilnimmt, die darauf abzielt, eine sexuelle Belästigung zu begehen, wenn es zu einer solchen Belästigung tatsächlich gekommen ist. Wer die sexuelle Belästigung „in verabredeter Verbindung“ mit mindestens einem anderen begeht, ist nach § 218 Abs 2b StGB-Entw sogar mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Für sexuelle Belästigung sieht das geltende Recht durchwegs „nur“ Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe vor (§ 218 Abs 1, Abs 1a StGB). Durch den Entwurf käme es also in den vorgeschlagenen Fällen zu einer Vervielfachung der Strafdrohungen gegenüber dem Grundtatbestand. Das steht unseres Erachtens im eklatanten Widerspruch zum ultima-ratio-Grundsatz, den die Gesetzesmaterialien (EBRV 689 BlgNR 15. GP, 39) noch bei Einführung des „Grapscher-Paragrafen“ (§ 218 Abs 1a StGB) durch das StRÄG 2015 beschworen haben.“

Schon das geltende Recht zeigt, dass es sexuelle Belästigung, gleich von wem und bei welcher Gelegenheit, nicht billigt.

Im Übrigen sehen die beiden Strafrechtsprofessoren eine Begründung im Begutachtungsentwurf, die missverständlich ausgelegt werden kann: „Der Entwurf will angeblich zeigen, dass sexuelle Belästigung durch junge Männer bei öffentlichen Veranstaltungen „nicht akzeptiert“ wird (Erl S 4). Aber schon das geltende Recht zeigt, dass es sexuelle Belästigung, gleich von wem und bei welcher Gelegenheit, nicht billigt. Keine Form sexueller Belästigung ist „akzeptiert“, und keine Form sexueller Belästigung wird „akzeptabel“, nur weil für diese die Strafdrohung nicht (auch) erhöht wird. Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen sind ein deutliches Signal, dass es keine Akzeptanz für sexuelle Belästigung gibt.“

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