NEOS in der Regierungsfalle

ANALYSE. ÖVP und FPÖ machen es schwer, Zweidrittelmehrheiten zu gewähren. Sie zu verweigern, kann besonders für die Liberalen aber auch verhängnisvoll werden. 

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ANALYSE. ÖVP und FPÖ machen es schwer, Zweidrittelmehrheiten zu gewähren. Sie zu verweigern, kann besonders für die Liberalen aber auch verhängnisvoll werden.

Ja, es war nicht ganz einfach, zu verfolgen, wie es die NEOS mit dem Staatsziel „Wirtschaft“ in der Verfassung halten: Am Sonntag signalisierte Verfassungssprecher Nikolaus Scherak grünes Licht, am Montag schaltete er quasi wieder auf gelb um bzw. drückte „die Stopptaste“ (vgl. ORF.AT-Bericht). Ersteres basierte auf dem Hinweis, dass es ja immerhin gelungen sei, ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Umwelt durchzusetzen, letzteres auf Bedenken in Bezug auf die vorgesehene Beschleunigung von Genehmigungsverfahren; NGOs soll die Beteiligung daran erschwert werden.

ÖVP und FPÖ legen grundsätzlich keinen gesteigerten Wert auf Zweidrittelmehrheiten. Lieber verzichten sie auf Strukturreformen. 

Nichts könnte die Regierungsfalle besser verdeutlichten, als dieses Beispiel: ÖVP und FPÖ legen grundsätzlich keinen gesteigerten Wert auf Zweidrittelmehrheiten auf parlamentarischer Ebene. Lieber verzichten sie auf echte Strukturreformen und begnügen sich auf einfachgesetzliche Änderungen, als dass sie sich auf Verhandlungen mit einer Oppositionspartei einlassen (die Zustimmung zumindest der NEOS bräuchten sie für Zweidrittelmehrheiten (bzw. Verfassungsmehrheiten)). Beim Staatsziel „Wirtschaft“ machen die Regierungsparteien eine Ausnahme. Und da können die wirtschaftsliberalen NEOS eigentlich gar nicht anders, als mitzuziehen.

Genauer: Können tun sie natürlich schon. Aber das z.B. den vielen Unternehmern zu erklären, die einfach nur froh sind, dass endlich einmal jemand daran geht, der Wirtschaft oberste Priorität zu geben und auch Verfahren zu beschleunigen, ist schwer bis unmöglich. Obwohl das nunmehrige Zögern der NEOS nachvollziehbar ist: Mit dem Staatsziel „Wirtschaft“ dürfen sie lediglich ein Signal unterstützen. Die praktische Ausführung im Alltag, die über einfache Gesetze, Verordnungen und vieles andere mehr erfolgt, bleibt allein dem Ermessen von ÖVP und FPÖ überlassen; darauf können sie exakt null Einfluss nehmen.

Von einer Kleinpartei erwarten, dass sie das eine ermöglicht und das andere hinnimmt, ist etwas viel verlangt. 

Wenn es um Genehmigungsverfahren geht, „dürfen“ die Regierungsparteien demnach weiterhin z.B. volle Transparenz von NGOs (in Form der Offenlegung von Mitgliederlisten) verlangen, während sie bei sich selbst, also bei der Parteienfinanzierung, und darüber hinaus über das Amtsgeheimnis im gesamten Staat weiterhin Intransparenz walten lassen „können“: Von einer Kleinpartei erwarten, dass sie das eine ermöglicht und das andere hinnimmt, ist etwas viel verlangt. Zumal ihr Transparenz ein gewisses Anliegen ist. 

Das Problem der NEOS bleibt jedoch: Bleiben sie beim Nein zum Staatsziel, wird es happig für sie, dem absehbaren Vorwurf von ÖVP und FPÖ zu begegnen, gegen die Interesse der Wirtschaft agiert zu haben. Das mag ungerecht sein, ist aber so.

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