Kurz setzt alles auf eine Karte

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ANALYSE. Die Strategie des Außenministers ist erkennbar, wie noch nie. Das Risiko, das er eingeht, ist groß.

Auf Twitter sorgte der Beitrag von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zum Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl für Debatten: Nicht nur, dass er Emmanuel Macron gratulierte. Nein, er ließ auch noch ganz und gar undiplomatisch wissen: „Linke Politik wurde klar abgewählt.“ Rein sachlich war das natürlich nicht nachvollziehbar: Verloren hat an diesem Wahltag Marine Le Pen; die rechte Politikerin musste sich mit einem Drittel der Stimmen begnügen.

Und Marcon selbst ist zwar ein Wirtschaftsliberaler; aufgrund seiner Herkunft könnte man ihn aber genauso gut als modernen Sozialdemokraten bezeichnen. Und überhaupt: Marcon wurde Befragungen zufolge vor allem zur Verhinderung von Le Pen gewählt. Wenn, dann wurde also rechte Politik abgewählt. Doch was halten wir uns mit solchen Dingen auf: Kurz’ Äußerung macht nur dann Sinn, wenn man sie in einem innenpolitischen Kontext sieht. Dann kann man sie neben das „Manifest“ gegen Rot-Grün legen, das die ÖVP aufgelegt hat und in dem SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern als Kommunist dargestellt ist. Zur Strategie im Hinblick auf die kommende Nationalratswahl ist es dann nicht mehr weit: Wer extreme Linke (Kern!) und extreme Rechte („HC“ Strache!) verhindern will, muss Kurz wählen.

Ganz so einfach wird das für den Außenminister jedoch nicht werden. Weil diese Strategie ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist und er selbst ein Positionierungsproblem hat:

Sebastian Kurz positioniert sich dort, wo’s gerade passt. Was ein Stück weit natürlich jeder Politiker tut, aber an der Glaubwürdigkeit kratzen kann: Vor der französischen Stichwahl hat sich der 30-Jährige klar deklariert. Und zwar pro Macron und contra Le Pen: „Natürlich ist es wichtig, dass es ein proeuropäisches Frankreich gibt“, ließ er wissen. In Österreich hat er Vergleichbares bei der Bundespräsidenten-Stichwahl im Sinne von Alexander Van der Bellen vermieden. Er selbst werde eine „verantwortungsvolle Wahl“ treffen, im Übrigen brauche es keine Wahlempfehlung, weil die Leute mündig genug seien, wurde er vom Nachrichtenmagazin „profil“ damals zitiert. Was im Nachhinein umso bemerkenswerter ist, als es zwischen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und Le Pen insbesondere in europapolitischen Fragen keinen erkennbaren Unterschied gibt (einzig, dass er einmal für und einmal gegen einen EU-Austritt ist).

Wo sich Kurz positioniert, tut er das rechts. Siehe seine Kritik an NGO-Rettungsaktionen für Flüchtlinge im Mittelmeer oder seine Verteidigung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der „Süddeutschen Zeitung“: „Hören wir auf mit der Trennung in Gut und Böse und der moralischen Überlegenheit.“ Einzig seine deutlich besseren Sympathiewerte können ihm da im Hinblick auf Wahlen noch einen Vorteil gegenüber Rechten wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bescheren; inhaltlich sind die Unterschiede schwer erkennbar.

Auf der anderen Seite aber verändern sich Themenlagen. Selbst im französischen Wahlkampf ist es nicht mehr nur um Terrorismus und Islamismus gegangen, sondern ganz besonders auch um Wirtschaft und Bildung. In Österreich kann damit gerechnet werden, dass sich ein Wahlkampf nicht nur auf Integration und Flüchtlinge beschränken wird, also Fragen, zu denen Kurz eine außerordentliche Zugkraft zugeschrieben werden kann. Möglich sind zudem Jobs, Pflege oder Schulen. Und zu solchen Fragen hat er bisher nicht geliefert.

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