Kogler sitzt am längeren Ast

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ANALYSE. Wahlsieger Kurz sollte bei Sondierungsgesprächen größere Kompromissbereitschaft zeigen als ihm lieb sein kann.

„Schwarz-Grün muss her“, schallt es insbesondere aus bürgerlichen Kreisen. Womit auch schon ein gewisser Druck auf ÖVP-Chef Sebastian Kurz einhergeht: Die Hoffnung, endlich zu einer Regierung zu kommen, der nicht nur keine Sozialdemokraten angehören, sondern die auch international herzeigbar ist, ist in diesen Kreisen groß. Und überhaupt: Ein bisschen bewundert man die Grünen ja doch. Ihre Lebensqualität ist alles in allem genauso hoch wie ihre Bildung. Andererseits gehen sie in Fragen der Ökologisierung halt doch immer wieder sehr weit; und auch mit der Sozialhilfe übertreiben sie es nach dieser Sichtweise ein bisschen.

Doch sei’s drum: Im Westen funktioniert Schwarz-Grün. Dort genießt es die ÖVP, neben einer solchen Partnerin automatisch auch selbst ein bisschen jünger auszusehen. Und überhaupt: In Vorarlberg, wo am 13. Oktober gewählt wird, gibt es keine rechtspopulistische Mehrheit. Dort ist die FPÖ keine Gefahr für die ÖVP. Dort sind eher die Grünen die großen Mitbewerber. Also kann die Volkspartei die Freiheitlichen rechts liegen lassen und „muss“ geradezu zwingend mit den Grünen koalieren.

Auf Bundesebene ist die Ausgangslage ganz anders. Für sein Ansehen in der Welt draußen und auch für die erwähnten Kreise müsste Kurz Schwarz-Grün anstreben. Dem entgegen steht jedoch seine Ansage, weiterhin eine ordentliche Mitte-Rechts-Politik machen zu wollen – und viel mehr noch seine Wählerschaft. Gut ein Drittel seiner Wähler kommt von FPÖ, BZÖ und Team Stronach. Mit den Grünen sind sie nicht zu halten, droht die neue ÖVP auf ihr altes Niveau von rund 25 Prozent abzustürzen.

Das unterstreicht, wie schwierig die Lage für Kurz ist. Kogler hat’s dagegen eine Spur einfacher: Seine Wählerschaft will viel mehr Klimaschutz, der Bundespräsident fordert viel mehr Klimaschutz, alle Experten mahnen viel mehr Klimaschutz ein. Da kann er hoch pokern. Der Einstieg in eine CO2-Besteuerung ist das Mindeste. Ganz zu schweigen von einer Abschaffung des Dieselprivilegs. Das ist unangenehm für Kurz: Er hat die Wahl, inhaltlich für eine schwarz-grüne Koalition eine große Kursänderung vorzunehmen und so Stimmenverluste zu riskieren; oder es sein zu lassen und wieder Schwarz-Blau einzugehen oder eine Minderheitsregierung zu machen. Zumindest enttäuschte Bürgerliche und ein Verlust an Reputation auf internationaler Ebene wären ihm bei Schwarz-Blau II jedoch gewiss.

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