Kickl ist zu groß

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ANALYSE. Ausfälle des FPÖ-Chefs können nicht ignoriert werden. Politische Mitbewerber, auf die es ankommt, sind gehemmt.

Seit Jörg Haider heißt es immer wieder, am besten wäre es, einen FPÖ-Politiker, der Grenzen überschreitet, zu ignorieren. Es gibt Gründe, es nicht zu tun. Erst recht bei Herbert Kickl: Zunächst muss klar sein, was in der politischen Auseinandersetzung geht und was nicht. In Österreich ist das im Unterschied zu Deutschland nicht klar. In Deutschland achtet einer, der Kanzler werden möchte, daher viel eher darauf, was er sagt. Er würde sich hüten, den Bundespräsidenten als „Demokratie- und Staatsgefährder“ zu bezeichnen, ja als „Mumie“ und einen, der „senil“ sei. Einer wie Kickl, der das am Aschermittwoch gemacht hat, wäre dort chancenlos. Er wäre allenfalls Chef einer Kleinpartei.

Herbert Kickl möchte hierzulande nicht nur Kanzler werden, rein von den momentanen Umfragewerten her handelte es sich sogar um ein realistisches Ziel. Die FPÖ nähert sich unter seiner Führung der 30-Prozent-Marke. Das hat sie unter Haider nie und unter Heinz-Christian Starche nur vorübergehend getan.

Insofern werden für größere Mitbewerber Dinge, die für sie schon immer relevant waren, wichtiger denn je: Für Sozialdemokraten sind Freiheitliche zumindest nützlich, damit die ÖVP durch sie Mitte-Rechts geschwächt ist. Für die ÖVP sind Freiheitliche eine Alternative für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ. Eine Option also, die die Verhandlungsposition nach einer Wahl stärken kann. Das könnte auch dadurch wieder bedeutender werden, als sich eine Zweiparteienkoalition mit Grünen oder Neos in Zukunft wohl kaum ausgehen wird.

Verhängnisvoller: Sebastian Kurz hat der FPÖ 2019 eine Viertelmillion Wähler abgenommen. Will man auch nur einen Teil halten, weil man zu keiner anderen Ausrichtung in der Lage ist, muss man aufpassen, wie man mit Freiheitlichen und ihrem Chef umgeht.

Das tut man: Im Zentrum der Aschermittwoch-Rede von Herbert Kickl standen dessen Äußerungen über den Bundespräsidenten. Irreführenderweise wurde in Berichten über Reaktionen immer wieder auch Generalsekretär Christian Stocker für die ÖVP genannt. In seiner Aussendung erwähnte er Van der Bellen-Bezüge jedoch mit keinem Wort, sondern kommentierte ausschließlich Verbalattackten gegen seinen Bundesparteiobmann, Kanzler Karl Nehammer. Aussage: Kickl sei in einer radikalen Ecke.

Weil aber auch die ÖVP die „Mumie in der Hofburg“ und andere Zitate nicht unkommentiert lassen konnte, schickte sie jemanden vor. Es war halt nur der Wiener Landesobmann Karl Mahrer, der in der parteiinternen Hackordnung ganz unten vor dem burgenländischen Landesobmann Christian Sagartz steht. Devise: Man hat etwas gesagt, aber durch jemanden, den Kickl nicht ernstnehmen muss.

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