Kern lässt sich von Kurz den Takt vorgeben

ANALYSE. Für den Kanzler und SPÖ-Vorsitzenden wird’s eng, wenn er nicht anfängt, sein eigenes Programm durchzuziehen.

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ANALYSE. Für den Kanzler und SPÖ-Vorsitzenden wird’s eng, wenn er nicht anfängt, sein eigenes Programm durchzuziehen.

Was macht Emmanuel Macron und Justin Trudeau so erfolgreich? Sehr wahrscheinlich, dass sie mit Leidenschaft für ein unverwechselbares Programm brennen; und zwar ein Programm, das besonders Rechtspopulisten in einer unmissverständlichen Art und Weise entgegengesetzt ist: Der französische Präsidentschaftskandidat tritt als flammender Europäer auf, während der kanadische Premierminister Flüchtlinge schon einmal wissen lässt, dass sie in seinem Land „willkommen“ seien.

Nun sind Österreich und Kanada in Bezug auf die Flüchtlingskrise nicht miteinander zu vergleichen; zu unterschiedlich ist die Betroffenheit. Das Entscheidende ist jedoch dies: Es würde Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) gut tun, sich in diesen Fragen nicht länger von Mitte-Rechts-Politikern treiben zu lassen und endlich anzufangen, sein eigenes Programm durchzuziehen.

Zu sehr lässt er sich von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) den Takt vorgeben. Darüber kann auch ein Pizza-Abend nicht hinwegtäuschen. Als sich Kern am vergangenen Wochenende ebenfalls dafür aussprach, Flüchtlinge außerhalb Europas in eigenen Lagern aufzuhalten und zu betreuen, konnte es Kurz kaum glauben; sein Tweet dazu zeugt jedenfalls von Genugtuung, um nicht gar von einer gewissen Häme zu sprechen: „Nachdem der Widerstand langsam nachlässt, müssen wir nun auf europäischer Ebene zur Umsetzung kommen!“

Bei alledem müsste sich Kern ja nicht eimal an Macron und Trudeau orientieren.

Was folgt als nächstes? Der Regierungschef hat da ein ernstes Problem: Gerne würde er mehr über Jobs, Jobs, Jobs reden, aber seine wichtigsten Mitbewerber – Kurz und die Freiheitlichen – bleiben mit Unterstützung von Krone und Co. bei Flüchtlingen, Flüchtlingen, Flüchtlingen. Sein Versuch, ihre Wirkung zu entkräften, indem er ihren Forderungen gegenüber irgendwann einmal klein beigibt, ist jedoch zum Scheitern verurteilt. Das führt nur dazu, dass er mit noch heftigeren Forderungen konfrontiert wird. Da gibt es keine Grenze.

Bei alledem müsste sich Kern ja nicht einmal an Macron und Trudeau orientieren. Es würde auch schon genügen, wenn er sich auf die Bundespräsidenten-Wahlen im vergangenen Jahr besinnen würde. Zwei Dinge könnten ihn diesbezüglich selbstbewusster machen: Es gab eine Mehrheit gegen Rechts (was nicht heißt „für Links“). Und Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen wurde vor allem von Leuten gewählt, die Österreich nicht untergehen sehen, sondern zuversichtlich in die Zukunft blicken – wobei ihr Zahl tendenziell sogar zunimmt, wie etwa das Spectra-Wirtschaftsbarometer zeigt. Das jedenfalls wäre ein Potenzial, auf das er setzen könnte.

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