ANALYSE. Mit der Kandidatur bei der EU-Wahl beschert Othmar Karas sich und der ÖVP nicht nur Chancen, sondern auch Widersprüche.
Man kann Othmar Karas Respekt zollen oder einfach nur den Kopf schütteln: Dass die türkise ÖVP des Sebastian Kurz nichts mit der alten Volkspartei zu tun hat, für die er steht, ist offensichtlich. Er bleibt jedoch und versucht als EU-Wahlkandidat mehr denn je, sein eigenes Ding in ebenjener ÖVP durchzuziehen, die nicht mehr die seine ist. Das ist für die beiden nicht nur mit Chancen, sondern auch mit sehr großen Widersprüchen verbunden.
Die ÖVP zieht mit einer bunten Truppe in die EU-Wahl: Neben Karas stehen da etwa Noch-Innenstaatssekretärin Karoline Edtstadler und Ex-Fernsehmoderator Wolfram Pirchner. Gut und gerne 50 Prozent der Österreicher sollten da ein Angebot finden. Leute, die es weniger mit Politik haben, haben Pirchner, all jene, die eine Fortsetzung des restriktiven Migrationskurses wollen, bekommen ausdrücklich Edtstadler und die übrigen Karas.
Das Problem ist nur: Die EU-Wahl ist keine Präsidentschaftswahl, bei der der Gewinner oder die Gewinnerin dann wirklich eine ziemlich eigenständige Politik machen kann. Bei der EU-Wahl ist jeder Kandidat eingebettet in eine Liste, Gruppierung, Parteienfamilie etc. Er ist Teil eines Ganzen, das letzten Endes denn auch entscheidend ist. Darüber hinwegzutäuschen, ist ein bisschen billig.
Und vor diesem Hintergrund kann Karas im Grunde nur ein Angebot machen: Insbesondere aufgrund der ÖVP-internen Mehrheitsverhältnisse ist es ihm lediglich möglich, sich als kritische Stimme ebendort zu positionieren. Allein im Sinne der parteiinternen Vielfalt und der Pflege einer Europapolitik wie sie früher einmal war. Viel mehr ist nicht drinnen. Doch auch danach wird es eine gewisse Nachfrage geben; in den Bundesländern gibt es ja noch alte ÖVPler.
Brutal formuliert: Karas‘ Gegner ist zum Teil die ÖVP, auf deren Liste er nun kandidiert.
Wie Othmar Karas zu seiner Kandidatur am Wochenende verkündete, gibt es vieles, wofür und wogegen er kämpfen möchte. Zum Beispiel „gegen Extreme von Rechts und von Links. Gegen die Anti-EU-Populisten, die Europa zerstören wollen.“ Und „gegen jene, die mit dem nationalen Tunnelblick solidarische Lösungen gefährden“.
Darüber kann man sich wundern, es ist sehr dick augetragen: In den vergangenen Monaten hat Karas ohne Zweifel schon entsprechendes Engagement gezeigt. Gerichtet war das aber gegen Maßnahmen der schwarz-blauen Koalition – von der Aufrechterhaltung nationaler Grenzkontrollen über die Indexierung der Familienbeihilfe bis hin zur Ablehnung des UN-Migrationspakts. Brutal formuliert: Karas Gegner ist zum Teil die ÖVP, auf deren Liste er nun kandidiert, aber auch die FPÖ, mit der die ÖVP koaliert.
Und überhaupt: Wogegen Karas kämpft, dafür steht niemand geringerer als der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban mit seiner Fidesz. Und sie ist und bleibt Teil der christdemokratischen EVP-Familie, der auch die ÖVP angehört.
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