ANALYSE. Sowohl Kern als auch Kurz können nicht sagen, wie und mit wem sie all ihre Vorhaben umsetzen würden. Das ist ihre größte Schwäche. Dann darauf würde es letztlich ankommen.
Reden wir nicht lange herum, sondern kommen gleich zur Sache: Wie die Steuer- und Abgabenquote gesenkt werden könnte, ist ebenso bekannt wie die Antwort auf die Frage, wie eine Gesundheitsreform sowie eine langfristige Sicherung des Pensionssystems ausschauen könnte. Dazu gibt es dutzende, wenn nicht gar hunderte Konzepte, erstellt vom Wirtschaftsforschungsinstitut, dem Institut für Höhere Studien, der Agenda Austria, diversen Universitäten, Interessensvertretern etc., etc., etc. Man kann es schon gar nicht mehr hören.
Das „einzige“ Problem ist die Umsetzung. In der Großen Koalition ist sie nicht zuletzt an den gegensätzlichen Vorstellungen gescheitert; aber auch an fehlendem Willen und in anderen Fällen wiederum am mangelnden Durchsetzungsvermögen. Wobei man davon ausgehen kann, dass das ziemlich viele Österreicher durchschaut haben. Das Behauptung, dass „die“ eh nichts weiterbringen, kommt nicht irgendwo her. Soll heißen: Das tollste Wahlprogramm bringt SPÖ und ÖVP denkbar wenig, wenn sie nicht glaubhaft machen können, wie sie dieses grundsätzliche Problem bewältigen wollen.
So lange Mikl-Leitner und Co. nicht sagen, dass Kurz all seine Ankündigungen umsetzen dürfe, muss man befürchten, dass nichts daraus wird.
Beginnen wir bei der „Neuen Volkspartei“ bzw. Sebastian Kurz, der sie ja ganz übernommen hat. Zumindest im Hinblick auf die Nationalratswahl hat er es als Bundesparteiobmann geschafft, die nach wie vor schwarzen Landeshauptleute und Bündevertreter zu größtmöglicher Zurückhaltung bzw. Loyalität zu bringen. Das hat ihm sehr viel Respekt und Zustimmung in bürgerlichen Kreisen eingetragen. So etwas fehlt ihm nun aber als Kanzlerkandidat. Anders ausgedrückt: So lange sich Johanna Mikl-Leitner, Christoph Leitl und Co. nicht hinstellen und erklären, dass sie Kurz all seine Reformvorhaben, bis hin zu einer Transparenzdatenbank, realisieren lassen, muss man als gelernter Österreicher davon ausgehen, dass diese Reformvorhaben letztlich ohnehin schon allein an all den ÖVP-internen Interessensgegensätzen scheitern werden.
Und überhaupt: Es bleibt zu bezweifeln, dass es die Wähler beruhigt, wie Sebastian Kurz zu sagen, man werde nach dem 15. Oktober alle Parteien einladen, Reformen anzugehen und dazu allenfalls eine klassische Koalition oder vielleicht auch etwas völlig Neues bilden. Das ist keine Perspektive. Im Gegenteil, es verheißt eher Unsicherheit. Und das ist schlecht. Kurz muss daher sagen, was er wirklich will.
Kern bleibt letzten Endes gar nur die Ansage, Schwarz-Blau verhindern zu wollen.
Doch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) geht es diesbezüglich um keinen Deut besser: Eine Zeit lang hat er zwar versucht, eine politische Wende anzustreben, indem er eine rot-grün-pinke Koalition anpeilte, wie SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler verriet. Nicht zuletzt die Grünen-Spaltung bzw. Verselbstständigung von Peter Pilz hat dieses Projekt jedoch vereitelt. Dafür gibt es hinten und vorne keine Mehrheit mehr.
Also hat Kern ein Riesenproblem: Er kann zwar sagen, dass er mit seiner Partei Platz eins verteidigen möchte, darüber hinaus aber nicht viel anbieten. Eine Fortsetzung der „Großen Koalition“ ist für ihn eine ebenso unbrauchbare Option wie Rot-Blau; beides würde ziemlich viele Leute verschrecken. Also bleibt Kern letzten Endes gar nur die Ansage, ein Sebastian-Kurz-Heinz-Christian-Strache-Bündnis verhindern zu wollen. Das könnte die Linke mobilisieren. Eine Bewegung, die in diesem Land etwas verändern möchte, wird daraus jedoch nicht.
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