ANALYSE. Die FPÖ hat’s geschafft: Der Inhalt des Videos beschäftigt kaum noch jemanden. Auch Sebastian Kurz ist vielmehr ins Drumherum gezogen worden.
So mitgenommen Ex-Vizekanzler und -FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Tag nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos war, so sehr jubelten seine Kritiker und Gegner über seinen damaligen Rücktritt sowie das Ende der schwarz-blauen Koalition. Heute, keine fünf Wochen später, ist jedoch vieles ganz anders als erwartet: „Spiegel Online“ berichtet prominent vom „Comeback“ Straches und liegt damit nicht daneben: Er ist wieder da. Wobei ihm auch die Zurückhaltung der politischen Mitbewerber geholfen hat. Zu schnell war das, was er da gegenüber einer vermeintlichen Oligarchin geäußert hat, vergessen. Längst geht’s nur noch ums Drumherum und das macht plötzlich auch Ex-Kanzler, ÖVP-Obmann Sebastian Kurz zu schaffen. Damit haben Strache und seine Parteifreunde erreicht, was sie wollten.
Geht’s Ihnen auch so, dass Sie im Gedächtnis graben müssen, um sich an den Inhalt des Ibiza-Videos zu erinnern? Also: Strache wollte 2017 unter anderem die „Kronen Zeitung“ zu seinen Gunsten ausrichten und den Baukonzern STRABAG von öffentlichen Aufträgen ausschließen. Einfach so, zack, zack, zack, willkürlich. Außerdem skizzierte er Möglichkeiten, groß für seine Partei zu spenden, ohne dass der Rechnungshof und damit auch die Öffentlichkeit davon erfahren.
Die Konsequenzen, die die Veröffentlichung des Videos hatte, sind bekannt: Strache trat als Vizekanzler und Parteichef zurück, Sebastian Kurz kündigte die Koalition auf sowie Neuwahlen an. Das war’s. Das kann man jetzt als „typisch Österreichisch“ abtun; interessant ist es allemal. Zumal Straches Schilderungen nicht wirklich überraschen konnten: Dass es so läuft, entspricht in etwa den Vorstellungen eines nüchternen Beobachters. Und selbst wer ans Gute glaubt, kann nichts ausschließen. Zu viel ist in der Vergangenheit aufgekommen, von der BUWOG- über die Hypo-Alpe-Adria- bis zur BVT-Affäre, zu viel ist ganz einfach nicht nachvollziehbar, weil intransparent. Insbesondere bei der Parteienfinanzierung.
Gut, Parteien überbieten einander mit Anträgen zur Änderung der Parteienfinanzierung. Zumal es keine Übereinstimmung gibt, muss man jedoch befürchten, dass am Ende alles beim Alten bleiben wird. Und überhaupt: Dass ausgerechnet die ÖVP, die erst vor wenigen Wochen gemeinsam mit der FPÖ eine automatische Inflationsanpassung der Parteienförderung fixiert hat, eine Kürzung ebendieser beantrag hat, ist ein bisschen Dings. Glaubwürdig ist anders.
Was nach dem Ibiza-Video neben Rücktritten, Koalitionsende und Neuwahlentschluss hätte sein müssen, ist nicht passiert: Eine Systemdebatte, die letzten Endes dazu führt, dass Dinge, die Strache angesprochen hat, denkunmöglich werden.
Die SPÖ war mit sich selbst beschäftigt. Und der ÖVP war es offenbar wichtiger, nur die Gunst der Stunde zu nützen und sich auf den kommenden Urnengang zu konzentrieren. Und zwar unter der Annahme, dass die FPÖ jetzt eh erledigt ist. Ein Irrtum, wie man heute weiß. Nicht nur, dass Strache wieder da ist und sich die FPÖ bisher auf relativ hohem Umfrageniveau hält, sieht sich Kurz jetzt auch noch höchstpersönlich gezwungen, sich mit dem Drumherum des Videos zu beschäftigen und vor gefälschten E-Mails zu warnen, die ihn und seinen Vertrauten Gernot Blümel in Verbindung damit bringen sollen. Seine Absicht ist klar: Sich von vornherein darum bemühen, dass gewisse Geschichten gar nicht erst aufkommen, nur ja nie zum Getriebenen werden. Das ist das eine. Das andere: Selbst die „Wiener Zeitung“ vermittelt in einer Analyse dazu, dass Kurz bei dieser Vorgangsweise ein paar Fragen aufgeworfen hat, die offen geblieben sind. Titel der Geschichte: „Ein ,Fälschungsskandal‘ mit einigen Lücken“. Sprich: Die Sache könnte sich noch in die Länge ziehen. Und zwar mehr denn je zum Wohlgefallen von Strache und Co.