Hofers Panikmache

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef kann der Versuchung nicht widerstehen, das Coronavirus politisch auszuschlachten. Das ist billig, aber hochriskant.

Bis vor wenigen Tagen hatte Norbert Hofer, amtierender Bundesobmann und 2016 gescheiterter Präsidentschaftskandidat der FPÖ, Sorgen, die direkt beneidenswert waren. Auf Twitter ließ er nach dem Wiener Opernball wissen: „Sollte ich den nächsten Wahlkampf gewinnen (ist nicht unwahrscheinlich), bitte ich um Verständnis dafür, dass ich diesen Ball der Eitelkeiten nicht besuchen werde…“

Die allgemeine Belustigung war eindeutig größer als die Empörung. Doch das ist Geschichte. Spätestens am Wochenende darauf fand Hofer endlich ein Thema, das (erstens) ernst zu nehmen ist, bei dem er (zweitens) wirklich etwas erreichen bzw. (drittens) anrichten kann. Die Rede ist vom Coronavirus.

Die Bundesregierung bemüht sich erkennbar, alles zu kommunizieren, was vernünftig ist und bei alledem besonnen zu bleiben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Innenminister Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) melden sich fast täglich zu Wort. Sie tun sich schwer genug. Nachdem Anschober schon vor mehreren Tagen erklärt hatte, dass kein Grund zur Panik bestehe, tat Nehammer das nun wieder, um wenige Stunden später den durchaus beunruhigenden Zugstopp am Brenner mitverantworten zu müssen, bei dem sich letzten Endes herausstellte, dass die zwei verdächtigen Passagiere bereits in Verona ausgestiegen waren. Das hat schon gereicht für einen alarmistischen Aufmacher in der Tageszeitung „Österreich“, der im Übrigen auch die Mitverantwortung der Medien unterstreicht: „CORONA-ALARM an unserer Grenze.“

„Keine Panik!“ Bilder aus Wuhan oder von Hamsterkäufen in Norditalien sind natürlich nicht dazu angetan. Informationen, wonach die Sterblichkeit bei SARS zehn Prozent und beim Coronavirus bis zu drei Prozent beträgt, haben keinen Einfluss darauf. Zumal natürlich auch das eine extrem hohe Rate ist.

Norbert Hofer ist das klar. Und er würde daher nicht nur einen Zug aufhalten, sondern überhaupt alle: „So lange es keinen Impfstoff gibt, muss Reiseverkehr aus betroffenen Regionen eingestellt werden“, fordert er. Laut Hofer stehen wir vor einer Pandemie.

Weiß er, was er da tut? Selbstverständlich: Er betreibt Stimmungsmache für seine Partei, nachdem er seit der Nationalratswahl – oder gar seit der Ibiza-Affäre – keine Gelegenheit gefunden hat, auch nur irgendwie Tritt zu fassen. Was Hofer da fordert, hieße konsequent umgesetzt, jeglichen Grenzverkehr mit Italien einzustellen. Was im Umkehrschluss schon allein dazu führen würde, dass sich hierzulande mehr und mehr Ausnahmezustände ergeben würden. Nicht wegen der gestrichenen Sommerurlaube, sondern aufgrund der Tatsache, dass Italien einer der wichtigsten Handelspartner ist, ohne den sich zum Beispiel sehr viele Supermarktregale lichten würden.

Zum Glück ist Hofer nicht Bundespräsident oder auch nur einfaches Regierungsmitglied, mag man unter diesen Umständen einwenden: Wenn er bei jeder Risikoabwägung ans Äußerste geht, entsteht in jedem Fall größerer Schaden.

Beim Coronavirus geht es um besonders viel. Zum Beispiel auch um gesellschaftliche Konflikte bis hin zu offenem Rassismus. Da ist eine rechtspopulistische Politik, die quasi ausschließlich auf „Österreicher zuerst“ in Verbindung mit „Abschottung gegen die Bedrohung von außen“ setzt, ganz grundsätzlich brandgefährlich.

Die chinesische Journalistin und Unternehmerin Franka Lu hat für die „Zeit“ einen sehr eindrucksvollen Text zu diesem Thema geschrieben: „Seuchen entzweien uns Menschen“, schreibt sie in Erinnerung an Albert Camus’ „Pest“ und José Saramagos „Die Stadt der Blinden“: „Das ist nichts Neues, es wird gewiss auch in der Zukunft wieder passieren, überall, wo Menschen leben. Je mehr man sich von einer Katastrophe bedroht wähnt, desto stärker werden Angst und Dummheit das menschliche Verhalten bestimmen und zu Gewalt und Grausamkeiten führen. Man kann die wiedererwachende Feindseligkeit gegen Chinesinnen und Chinesen Rassismus nennen, aber das Phänomen ist nicht auf den Westen beschränkt. In China leiden Menschen, die aus dem Ausbruchsgebiet der Krankheit um Wuhan stammen, in anderen Landesteilen unter Feindseligkeiten. Sie werden beleidigt oder gar körperlich angegriffen.“

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