Grüne haben trotzdem eine Perspektive

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ANALYSE. Die Auseinandersetzung zwischen Kogler und Mikl-Leitner zeigt, dass sich die Partei – neben den Neos – mehr denn je als Kraft behaupten könnte, die für eine liberale Demokratie steht und im Übrigen pro-europäisch ist.

Als „präfaschistoid“ hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die neue Ausrichtung der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in einem „profil-Interview bezeichnet. Sie will „Normaldenkende“ ansprechen und meint damit Menschen, die sich vor allem dadurch kennzeichnen würden, das Gefühl zu haben, nicht mehr gehört zu werden, wie sie in einem „Standard“-Gastkommentar erklärte. Was natürlich impliziert, dass ein Teil des Souveräns von ihr als nicht normal gesehen wird. Wobei sie sich anmaßt, darüber zu urteilen, wer normal oder eben nicht normal ist. Aussagen ihrer Handlanger lassen darauf schließen, dass sie etwa „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk der zweiten Gruppe zuordnet. Dafür ist „präfaschistoid“ eine harte, aber keine falsche Bezeichnung, läuft es doch auf eine Abkehr von der liberalen Demokratie hinaus.

Spannend ist, dass das von Werner Kogler, also nicht von einem Sozialdemokraten kommt. These: Es ist ein Hinweis darauf, dass Grüne – wie Neos – auch unter einem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler eine Perspektive haben. Mikl-Leitner wendet sich an jenen Teil der bisherigen Mitte, der verliert oder Angst hat zu verlieren. Sie versucht es damit – mit anderen Worten, aber doch – nicht nur Herbert Kickl (FPÖ), sondern auch Babler gleichzutun. Babler spricht in seinen Social-Media-Kampagnen permanent von „unseren Leuten“, denen die Teuerung besonders zusetze, die ihren Job verlieren und die meisten Steuern zahlen würden. Das ist an Männer und Frauen gerichtet, die das Gefühl haben, dass sie durch die Politik hängen gelassen werden, dass großes Unrecht vorherrsche.

Mikl-Leitner hat die harten Worte von Kogler nun empört zurückgewiesen und dabei gleich noch mehr Botschaften verbreitet, die ihr wichtig sind. Sie unterstellt, Kogler stoße sich daran, was sie ausspreche, zum Beispiel „zu den eigentlichen Aufgaben der Europäischen Union, die sich nicht als grüne Vorfeldorganisation verstehen soll“.

Es ist müßig, darüber nachzudenken, wie sie auf diese Unterstellung kommt. Es geht ihr darum, die EU als grüne Vorfeldorganisation zu diffamieren. Und es ist müßig, das zu widerlegen. Entscheidend ist dies: Die Karl Nehammer- und Mikl-Leitner-ÖVP zieht es vor, sich mit europäischen Rechtspopulisten aus Italien und Ungarn gegen die europäische Integration zu stellen. „Europapartei“ war einmal.

Die FPÖ wiederum war nie eine Europapartei und die Babler-SPÖ ist auch keine. Womit wir bei einem entscheidenden Punkt angelangt wären: Grüne – wie Neos – sind jene Kräfte in Österreich, die am ehesten für eine liberale Demokratie stehen und pro-europäisch sind. Damit haben sie gute Chancen, sich trotz ihrer Performance in der Regierung, die – z.B. durch ihre Rolle bei der Einstellung der Wiener Zeitung – dazu angetan ist, Wählerinnen und Wähler zu frustrieren, längerfristig als kleine Mittelpartei im niedrigen zweistelligen Prozentbereich zu behaupten.

Zumal sie – ähnlich wie die Neos – im Unterschied zu FPÖ, SPÖ und ÖVP nicht ausschließlich jene Teile der bisherigen Mitte ansprechen, die verlieren oder Angst haben zu verlieren. Sondern auch Leute, die zumindest ein mulmiges Gefühl haben, wenn es zunehmend zum politischen Stil zu werden scheint, Gruppen gegeneinander auszuspielen.

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