Gefährdetes Supertalent

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ANALYSE. Für Sozialdemokraten gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, sich zu beweisen. Auch für Sven Hergovich könnte es nun schwierig werden.

„Sven Hergovich ist möglicherweise genau das, was die SPÖ braucht“, schrieben die „Salzburger Nachrichten“, nachdem der 34 -Jährige Ende Jänner zum designierten Landesparteivorsitzenden der niederösterreichischen Sozialdemokraten bestellt worden war: Der neue Mann verstehe es, Selbstbewussten zu zeigen und Signale zu setzen. Es ist wirklich so. Schon nach sechs Wochen gerät er jedoch unter Druck.

Aus der Entfernung betrachtet könnte man meinen, er habe sich durch eine Aussage in der Österreich-Ausgabe der „Zeit“ selbst ein Bein gestellt. Angesprochen auf seine Minimalforderungen bei den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner erklärte er wörtlich: „Bevor ich ein Übereinkommen unterzeichne, in dem nicht alle diese Punkte enthalten sind, hacke ich mir die Hand ab.“

Mikl-Leitner hat das aufgegriffen, sich von der SPÖ ab- und der FPÖ zugewendet. Im morgendlichen Newsletter der „Kleinen Zeitung“ kam Chefredakteur Hubert Patterer zum Schluss, dass es Hergovich zu Schwarz-Blau kommen lasse; dass er quasi schuld daran sei.

Die Sache ist jedoch komplizierter. Wie hier ausgeführt, muss sich die nö. ÖVP aus taktischen Gründen mit den Freiheitlichen zusammentun. Sie hat sich im Wahlkampf bereits entsprechend ausgerichtet und damit selbst in diese abscheuliche Lage gebracht. Natürlich könnte sie anders. Aber dann müsste sie sich neu aufstellen und davon ist sie (wie auch auf Bundesebene) weit entfernt.

Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass Hergovich seine Bedingungen, von einer Anstellung pflegender Angehöriger bis zu einem Heizpreisstopp, zu einem Zeitpunkt öffentlich machte, zu dem erkennbar war, dass die Schwarzen nicht mit den Roten zusammengehen mögen. Insofern sollte man vorsichtig sein.

Dass der Mann aber da und dort schon als derjenige dargestellt wird, der zu hoch gepokert hat, ist ein Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet: Bisher konnte er eine breitere Öffentlichkeit mit gleich zwei sicheren Auftritten in der ZIB2 beeindrucken. Zumal er es versteht, auch heikle Fragen so zu beantworten, dass man ihm fast nur beipflichten könnte. Zum Duell zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil meinte er Ende März etwa: „Ich präferiere eigentlich jeden Weg, wo wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen, ob das eine Mitgliederbefragung ist, ob das ein Parteitag ist, oder ob wir das im Präsidium lösen, ist für mich gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass wir am Ende des Tages eine Lösung haben, wo alle an einem Strang ziehen. Und ich möchte vielleicht auch klar sagen, weil Sie mich fragen, wer aus meiner Sicht die richtige Person ist: Aus meiner Sicht sollte es weniger um Personen in der Politik gehen und mehr um Inhalte.“

Es ist geradezu beruhigend, zu ahnen, dass Hergovich nicht so ist, wie er hier redet. Er weiß schon, warum er zum gegenwärtigen Zeitpunkt Entscheidendes zu dieser Führungsfrage für sich behält. Er hat sich gleich auch mit jüngeren, aber erfahrenen Leuten aus dem Umfeld von Christian Kern und Hans Peter Doskozil umgeben. Er zählt zu den wenigen, die erstens auf etwas verweisen können, was sich in einer sozialdemokratischen Biographie gut macht (ein Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose, ausgerechnet im einstigen Marienthal) und denen zweitens zuzutrauen ist, eine Vorstellung von einer möglichen Zukunft der Partei zu haben.

Allein: Hergovich muss damit rechnen, vor schweren Zeiten zu stehen. Aufgrund des Proporzsystems mag er der künftigen Landesregierung angehören. Wenn Schwarz-Blau kommt, wird er aber wohl eher mit belanglosen Zuständigkeiten abgespeist werden; mit Zuständigkeiten jedenfalls, die ihm möglichst keine Profilierungsmöglichkeiten bieten.

Zweitens: De-facto-Opposition in der Landespolitik gehört zum Härtesten, weil es weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, also schwer Wählerstimmen bringen kann. Besonders in Niederösterreich, wo es neben dem ORF und der wöchentlich erscheinenden NÖN fast nichts gibt. Bei beiden stehen Regierende im Vordergrund. Eine Tageszeitung existiert nicht.

Drittens: Das Land ist weit. Wenn man auf Mundpropaganda angewiesen ist, ist es ein zusätzlicher Knochenjob, hier auf sich aufmerksam zu machen.

Viertens: Die ÖVP hat ein Geschick entwickelt, von einem „Miteinander“ über Parteigrenzen hinweg zu reden. Damit meint sie Unterordnung. Josef Leitner, SPÖ-Vorsitzender von 2008 bis 2013 (und heute Bürgermeister der Kleinstadt Wieselburg), hat sich nicht daran gehalten. Er war der Volkspartei, die damals mit Erwin Pröll absolut regierte und eigentlich ohnehin nichts zu befürchten gehabt hätte, lästig. In einem „profil“-Artikel über ihn, schrieb Christa Zöchling vor zehn Jahren, wie ihm daraufhin geschah; er sei etwa als Nestbeschmutzer und Landesfeind verunglimpft worden. Besonders um ihn gekümmert hatte sich ÖVP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner, heute Innenminister.

Das ist die Welt, vor der Sven Hergovich steht. Wenn seine Bundespartei geschickt ist, bietet sie ihm eine regelmäßige Bühne. Sonst schaut sie einfach zu, wie er sich unter den widrigen Umständen schlägt und vielleicht untergeht.

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