FPÖ wollte, ÖVP folgte

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ANALYSE. Für Maßnahmen, die sie plötzlich ablehnen, machen Sebastian Kurz und Co. allzu oft die Freiheitlichen verantwortlich: Das spricht auch gegen sie selbst.

Inhaltlich habe die schwarz-blaue Koalition einen guten Job geleistet, wird der ehemalige Bundeskanzler, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, nicht müde, zu betonen. Allein Ibiza und die vielen „Einzelfälle“ in den Reihen der FPÖ sind seinen Angaben zufolge Grund genug gewesen, die Zusammenarbeit zu beenden und zu Neuwahlen zu schreiten.

Umso bemerkenswerter ist diese Liste, die immer länger wird: Maßnahmen, die die ÖVP bedauert. Zunächst war da das Rauchverbot. Nur den Freiheitlichen zuliebe habe man es gestrichen, hieß es; das sei quasi der Preis für der Koalition gewesen. Nach Beendigung der Zusammenarbeit wurden von Übergangs-Innenminister Eckart Ratz die 1,50 Euro Stundenlohn für Flüchtlinge sowie die Umbenennung von Erstaufnahme- in Ausreisezentren zurückgenommen, die Herbert Kickl (FPÖ) angeordnet hatte. Wobei er, Kickl, von der ÖVP zunächst nicht einmal ernstlich kritisiert worden war. Man ließ ihn vielmehr gewähren. „Nicht streiten“, war wichtiger. Was umgekehrt zeigt, wie wichtig es ist, im Fall des Falles zu streiten. Sonst macht man sich mitverantwortlich, um nicht zu sagen mitschuldig.

Ex-ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck stellte nun wiederum eine Kursänderung in Aussicht, die Lehrlinge betrifft, deren Asylantrag abgelehnt wird: Sie könnten demnach doch nicht mehr abgeschoben werden. In Koalitionsverhandlungen soll das laut Schramböck „neu beurteilt“ werden. Das ist gut so. Aber: Dass das noch nicht passiert ist, ist ihren Angaben zufolge allein auf die FPÖ zurückzuführen. Mit ihr sei das „nicht gegangen“.

Die ÖVP in einer Art Opferrolle? Das ist zu peinlich.

Die ÖVP in einer Art Opferrolle? Das ist zu peinlich, schwingt unfreiwilligerweise doch genau dies mit: Die Volkspartei, deren Chef Sebastian Kurz vor gar nicht allzu langer Zeit noch von einer Richtlinienkompetenz für den Regierungschef gesprochen hat, musste in Wirklichkeit erdulden, was Freiheitliche wollten.

Was natürlich nur eine Ausrede ist: Schramböck selbst hat sich in der Vergangenheit für die Abschiebungen ausgesprochen. Und zwar ausdrücklich. Das ist zum Beispiel einer Aussendung der Parlamentskorrespondenz vom Oktober 2018 zu entnehmen. Zitat: „In der Unterredung mit den Abgeordneten auch auf die Situation von AsylwerberInnen in Lehrausbildung angesprochen, hielt die Ministerin an der Regierungslinie fest. Asyl für Fachkräftezuzug heranzuziehen, sei der falsche Weg, hier brauche es ein „Erwachsenwerden“ Österreichs und der Europäischen Union, richtete sie SPÖ, NEOS und Liste Pilz aus.“

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