ANALYSE. Ein zweiter Blick auf das BP-Wahl-Ergebnis unterstreicht, wie viel sich auch für Herbert Kickl und Co. verändert. Und dass ihnen ihre eigene Politik auf den Kopf fallen könnte.
Vielleicht sollten sich die Freiheitlichen einen neuen Platz für zentrale Wahlveranstaltungen aussuchen. Der Viktor Adler Markt im 10. Wiener Gemeindebezirk passt nicht mehr. Klar, schon unter Jörg Haider wollten sie damit vor allem auch der Sozialdemokratie wehtun, aber das ist kaum noch ernst zu nehmen. Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz konnte zum Kampagnenabschluss vor dem Urnengang nur noch vor ein paar hundert Leuten reden. Mehr waren nicht gekommen. Und am Wahltag selbst setzte es dann ausgerechnet im Sprengel mit dem gleichnamigen Platz eine glatte Ernüchterung, um nicht zu sagen Niederlage für ihn.
Während Alexander Van der Bellen inmitten des geschichtsträchtigen Arbeiterbezirks immerhin 59 Prozent erreichen konnte, schaffte Rosenkranz gerade einmal 12,7 Prozent. Das war um fast ein Drittel weniger als bundesweit. Dominik Wlazny, der in ganz Wien etwas besser abschnitt als er, kam ihm hier mit 12,2 Prozent sehr nahe.
Das könnte der FPÖ zu denken geben. Erstens: In urbanen Räumen tut sie sich schon länger immer schwerer. Einzelne Sprengel-Ergebnisse, die nach oben hin abweichen, können nicht darüber hinwegtäuschen: In Städten findet eher Wachstum statt. Das bedeutet Entwicklung, Zugang zu höherer Bildung sowie besser werdenden Perspektiven für immer mehr Menschen etc. Das ist nicht gut für die FPÖ.
Zweitens: Als Protest- trat die FPÖ auch mit Rosenkranz gegen „Systemparteien“ (Herbert Kickl) an. Hans Rauscher weist im „Standard“ darauf hin, dass das ein Kampfbegriff der Nazis gegen nichts anderes als demokratische Parteien ist. Kickl und Co. wird es egal sein. Schon unter Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und unter Heinz Christian Strache haben sie etwa 2016 versucht, sich gegen ein „Establishment“ zu stellen und sich so zu profilieren. Sie können jedoch immer weniger punkten damit.
Ein Stück weit mag es an den handelnden Personen liegen. Die Persönlichkeitswerte von Herbert Kickl sind unterirdisch, kaum jemand vertraut ihm (laut APA/OGM tun es 17 Prozent, um genau zu sein). Rosenkranz ist es in den vergangenen Wochen wiederum nicht gelungen, eine Bewegung auszulösen.
Freiheitliche sind sogar mit immer mehr Mitbewerbern konfrontiert, die ebenfalls rechts der Mitte stehen und überwiegend ebenfalls angeben, gegen „Systemparteien“ anzutreten. In der Pandemie war es MFG. Diese Liste ist gerade dabei, zu verschwinden. Bei der Präsidentschaftswahl waren den Blauen nicht zuletzt aber Tassilo Wallentin und Gerald Grosz lästig. Diese kosteten sie wichtige Prozentpunkte und bescherten ihr die Erkenntnis, dass andere mit ähnlichen Ansagen ebenfalls Zuspruch erfahren können.
Es hat wohl auch damit zu tun, dass die FPÖ selbst längst als systemrelevante Partei gesehen wird. Kein Wunder: Im Nationalrat ist sie drittgrößte Fraktion bzw. die zweitgrößte Oppositionskraft. Norbert Hofer scheint sich als 3. Nationalratspräsident so wohl zu fühlen wie es Walter Rosenkranz als Volksanwalt tut. Auf Bundesebene hat sie mehrfach mitregiert, hat Strache im Ibiza-Video eindrucksvoll dokumentiert, wie Macht aus ihrer Sicht funktioniert. In Oberösterreich ist sie mit Manfred Haimbuchner Landeshauptmann-Stellvertreter-Partei. Da ist es nicht sehr glaubwürdig, vorzugeben, gegen „die da oben“ zu sein. Zumindest das können andere, die (noch) kein Mandat haben, wirkungsvoller.