ANALYSE. Das Budget 2023 ist nicht irgendeines. Es muss bahnbrechenden Veränderungen gerecht werden – und da ist auch der Bundespräsident gefordert, deutlich zu werden. Zumal es keinen Plan gibt.
Erstmals seit den 1970er Jahren steuert Österreich auf eine Stagflation zu: Im kommenden Jahr wird die Teuerung hoch bleiben und die Wirtschaft (de facto) nicht mehr wachsen, so das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO in seiner jüngsten Prognose. Für den Finanzminister ist das nicht gut: Was er aufgrund der Teuerung mehr einnimmt, braucht er für Ausgleichsmaßnahmen (z.B. Pensionsanpassungen). Dazu kommt aber, dass die Einnahmen-Entwicklung durch die Abschaffung der kalten Progression gebremst wird und dass etwa fürs Heer mehr und mehr Geld aufgewendet werden soll.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wird in seiner Budgetrede am 12. Oktober zumindest erklären, wie sich das 2023 ausgehen soll. Er wird wohl betonen, dass alles Nötige getan wird und sich niemand Sorgen machen muss. Das wären aber eher nur Beruhigungspillen, deren Wirkung von kurzer Dauer ist.
Das Problem ist folgendes: Die Herausforderungen sind riesig, die Planungsgrundlagen dafür sind jedoch erbärmlich. Wenn die Teuerung hoch bleibt und die Arbeitslosigkeit aufgrund einer dürftigen Konjunkturlage zunimmt, führt das dazu, dass es zumindest mehr Armuts- und Ausgrenzungsgefährdete geben wird. Die meisten, denen das erspart bleibt, werden einen Wohlstandsverlust erleiden. Das bedeutet, dass sie sich gewisse Luxusgüter schwerer leisten können. In Summe ergibt das neue soziale Verwerfungen, die Brunner auch durch höhere Schulden nicht verhindern kann.
„Ich möchte nicht in fünf Jahren Finanzminister sein“, sagte der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, vor wenigen Tagen zum Abschluss einer Denkwerkstatt namens St. Lambrecht in der Steiermark. Das kann man als alarmierende Botschaft, aber auch als Weckruf verstehen. Besser wäre letzteres.
Es ist Zeit, sich nach dieser Perspektive auszurichten, ein neues Regierungsprogramm zu erstellen (das bestehende stammt aus Vor-Corona-Zeiten) und vor allem auch gewisse Klarstellungen vorzunehmen. Alle paar Wochen eine neue Einmalzahlung oder ein weiteres Paket zu präsentieren, ist kein Programm. Immer wieder am bestehenden Steuersystem weiterzudrehen, ist es auch nicht.
Es ist von übergeordnetem Interesse und daher auch eine erste Prüfung für Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach seiner Wiederwahl und zu Beginn einer Phase, in der er nichts mehr zu verlieren hat, zu drängen. Zum Beispiel darauf, dass Solidarität wirklich gelebt wird, indem bei staatlichen Leistungen genauso wie bei Steuern und Abgaben verstärkt auf die Möglichkeiten der oder des Einzelnen geachtet wird.
Da läuft viel zu viel schief. Entweder, indem etwa bei den Stromkosten einfach mit der Gießkanne angesetzt wird. Oder indem das Lohnsteueraufkommen immer mehr eher von relativ wenigen Besserverdienenden getragen wird (bei denen die kalte Progression auch nicht zur Gänze abgeschafft wird), aber auf eine Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung ganz verzichtet wird. Das passt nicht zusammen: Bei hohen Löhnen besteht in der Regel immerhin ein Leistungsbezug. Erbschaften und Schenkungen, in welcher Höhe auch immer, sind im Unterschied dazu meist nur pures Glück.