„Flood the zone with shit“

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ANALYSE. Selten gab es so schwach begründete Untersuchungsausschüsse. Kein Wunder: Es handelt sich um Rache sowie ein Ablenkungsmanöver von einer Art Staatskrise.

Fast könnte man vergessen, dass Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ein abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes sein muss; und dass praktischerweise ein konkreter Verdacht vorliegen sollte, der darauf schließen lässt, dass politische Verantwortung ignoriert oder missbraucht wurde.

Bei den beiden Untersuchungsausschüssen, die EU- und Nationalratswahlkämpfe im kommenden Jahr begleiten werden, ist alles ein bisschen anders. SPÖ und FPÖ sorgen dafür, dass die „COVID-Finanzierungsagentur des Bundes“ (COFAG) unter die Lupe genommen wird. Natürlich: Vor einem Jahr schon hat der Rechnungshof berichtet, dass es hier zu Überförderungen gekommen ist, es also Klärungsbedarf gibt. Im Ausschuss soll es jedoch nur um die „Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“ gehen. Wobei es sich um Personen handeln soll, „denen ein Vermögen von zumindest einer Milliarde Euro zugerechnet werden kann und die die Österreichische Volkspartei etwa durch Spenden unterstützt haben oder um deren Unterstützung von der Österreichischen Volkspartei etwa im Zuge des „Projekt Ballhausplatz“ geworben wurde“.

Das ist heikel: Wie kommt jemand, bei dem Sebastian Kurz zum Beispiel vergeblich angeklopft hat, dazu, sich hier vorführen zu lassen? Oder: Wie werden die Vermögen ermittelt? Weil es keine entsprechende Steuer gibt in Österreich, ist es Spekulation, wer wie viel hat. Da kann die Auswahl bald einmal willkürlich werden.

Soll heißen: Das ist keine sachlich-fundierte Grundlage für einen Ausschuss. Man könnte eher über die Förderungshöhe ansetzen: Untersucht werden alle Fälle, in denen mehr als xy Millionen Euro geflossen sind.

Um nichts besser ist der U-Ausschuss-Antrag der ÖVP. Sie gibt sich gleich im Titel volle Blöße: Aufklärung, ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden („ROT-BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“). Devise: Wir stellen einfach Dinge in den Raum und schauen dann nach. Irgendetwas wird schon hängen bleiben, irgendetwas wird sich schon finden lassen.

Das Motiv ist klar: „Flood the zone with shit“, ist frei nach dem ehemaligen Donald Trump-Berater Steve Bannon angesagt: Überflute die Menschen mit allem möglichen Unsinn. Es geht um Ablenkung. Gerald Fleischmann würde vielleicht von „Strategisch notwendigem Unsinn“ (SnU) sprechen.

Im Parlament wird 2024 Lärm gemacht, wird brüllend skandalisiert. Und zwar um des Skandalisierens auf Kosten politischer Mitbewerber willen. Wobei die bisherige Ereignisfolge relevant ist: Zuletzt sind SPÖ und FPÖ mit ihrem U-Ausschuss-Antrag dahergekommen. Es war eine Reaktion darauf, ja eine Rache dafür, dass die ÖVP ihren Antrag eingebracht hatte. Sie wiederum hatte dies getan, weil sie nach Veröffentlichung der Christian Pilnacek-Aussagen gegen sie einen Ausschuss zur Causa befürchtet hatte und sie sich gezwungen sieht, mit allen Mitteln von dessen Aussagen abzulenken.

Wolfgang Rauball sieht laut „Krone“ eine „Art Staatskrise“: Der Geschäftsmann war Ende Juli bei dem Gespräch mit Pilnacek am Tisch gesessen und hat nun dafür gesorgt, dass die Aufzeichnung veröffentlicht wird. Pilnacek hatte bekanntlich berichtet, dass ÖVP-Vertreter – und unter ihnen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – gefordert haben, staatsanwaltliche Ermittlungen abzudrehen. Laut Rauball musste das allgemein bekannt werden. Es ist tatsächlich von öffentlichem Interesse.

Die Konsequenzen könnten nun freilich übler kaum sein: Sobotka sieht keinen Grund, größeren Schaden vom Parlament abzuwenden und als Nationalratspräsident zurückzutreten. Und seine Partei, die ÖVP, reagiert nicht etwa betroffen; sie setzt im kommenden Jahr vielmehr darauf, politische Mitbewerber anzupatzen, auf dass sie nicht besser dastehen mögen. Beziehungsweise diese Mitbewerber lassen sich auf dieses Spiel ein. SPÖ und FPÖ lassen nicht etwa den Umgang mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bzw. türkise Druckausübungen auf die Justiz insgesamt untersuchen, was als rechtsstaatgefährdend dargestellt werden könnte, sondern etwas ganz anderes, nämlich die COFAG.

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