Eskalationsspirale rechts der Mitte

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ANALYSE. Die ÖVP bemüht sich weiter, rechtspopulistisch zu agieren. Freiheitliche wie Kickl und Landbauer tun das aber noch hemmungsloser und ziehen davon.

Der Hinweis auf Menschenrechte in einem aktuellen „Standard“-Interview mit dem niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer erinnert an ein Gespräch, das die Zeitung im Herbst mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger geführt hat. Auf die Frage, ob das europäische Asylrecht überarbeitet gehöre, antwortete dieser:

„Ja, das würde ich meinen. Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet. Wir haben mittlerweile eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden. Auch das, was in der Halloween-Nacht in Linz stattgefunden hat, ist inakzeptabel. Wenn wir Menschen Asyl gewähren, erwarten wir uns, dass unsere Gesetze eingehalten werden, ansonsten haben sie hier nichts verloren. Ich verstehe alle Menschen, denen es hier die Zornesröte ins Gesicht treibt.“

Landbauer geht da jetzt einen Schritt weiter:

„Ich würde mich den Rechten der Landsleute verpflichtet fühlen. Denn der Begriff Menschenrechte ist mittlerweile schwammig. Was ist denn überhaupt ein Menschenrecht? Das müsste man einmal klären. Ich unterscheide zwischen Staatsbürger und Nichtstaatsbürger.“

Also: Staatsbürgerrechte ja, Menschenrechte nein. Wögingers ÖVP hatte wenig davon, Grundsätzliches infrage zu stellen. Freiheitliche machen das noch hemmungsloser und stauben ab. Mitbewerber wie die SPÖ stehen ebenso sprachlos daneben, wie man es als Beobachter tut. Weil nichts mehr gilt.

Landbauer tut so, als wäre es das Gewöhnlichste der Welt, jemanden (bzw. konkret Klimaaktivsten) als „Terrorist“ zu bezeichnen. In Wirklichkeit setzt diese Bezeichnung eine Person auf die gleiche Stufe wie Leute, die Sprengstoffanschläge verüben und Todesopfer in Kauf nehmen, ja anstreben. Doch Landbauer gibt sich diesbezüglich naiv: „Ich verwende das Wort „Terrorist“ als Redewendung“, sagt er. Es heiße ja auch „jemanden terrorisieren“.

Von daher wäre jeder, der lästig ist, ein Terrorist. Was ist dann aber der Terrorist, der Menschenleben auf dem Gewissen hat und versucht, mit Waffengewalt ein politisches System zu stürzen? Nicht übler? Offenbar.

Zu den Klimaaktivisten verdrehte FPÖ-Chef Herbert Kickl zuletzt in einem ZIB2-Interview den Bedeutungsrahmen, also das Framing. Es ging um eine Darstellung, die von Parteikollegen von Kickl in sozialen Medien verbreitet wird. Darauf zu sehen ist ein Strichmännchen, das einer auf der Straße sitzenden Person auf den Kopf pinkelt. Es handelt sich um eine unverhohlene Ermunterung, „Klimakleber“ so zu behandeln.

Klickl sagt dazu: „Ich glaube, dass man dieses Bild so verstehen muss, dass das eine Warnung davor ist, dass es in dieser Situation, die sich hier rund um diese Klimachaoten, manche nennen sie auch Klimaterroristen, entwickelt, wenn man es so weiter dahinplätschern lässt, wie es die Regierung macht, zu einer Eskalation kommt.“ Nachsatz: „Das will niemand.“ Vereinfacht ausgedrückt: Indem man die Aktivisten nicht daran hindert, weiterhin tätig zu sein, sorgt man dafür, dass aufgebrachte Leute zur Selbstjustiz schreiten müssen. Die Lösung ist nun – frei nach Kickl -, die Aktivsten einzusperren. Dann kann es nicht zu so unschönen Darstellungen wie mit dem urinierenden Strichmännchen kommen.

Auch hier gilt: Die niederösterreichische Landeshauptfrau mag eine „Haftstrafe für Klimakleber“ gefordert haben. Punkten wird sie damit kaum: Freiheitliche gehen weiter, formulieren das schärfer.

In einem ORF-Gespräch erklärte Ex-Kanzler und -ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Herbst, er stelle sich oft die Frage, ob es richtig war, nach Aufkommen des Ibiza-Videos 2019 die Koalition mit der FPÖ zu beenden und Neuwahlen auszurufen. Immerhin habe die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert. Angesichts der nie zustande gekommenen Patientenmilliarde, von Korruptionsaffären und der europarechtswidrigen Indexierung von Familienleistungen für Fremde ist das eine gewagte Aussage. Kurz wird sie aber eher so gemeint haben: In der Koalition hatte er die FPÖ insofern im Griff, als er dieselben Themen wirkungsvoller beackerte und sie in Umfragen und bei Wahlen nicht davonzog, wie sie es jetzt tut.

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