It’s the economy, stupid

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ANALYSE. Der ÖVP machen nicht nur Kurz und all die Korruptionsaffären zu schaffen. Verhängnisvoller ist für sie, dass eine bürgerliche Mitte wegbricht.

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) weiß schon, warum sie sich gegen die Verschärfung von Wohnbaukrediten stellt: Gerade eine bürgerliche Mitte, der es aus Gründen, die man nicht verstehen muss, wichtig ist, sich zu verschulden und ein eigenes Haus zu errichten, muss zunehmend feststellen, dass das unmöglich geworden ist. Grundstücke sind schon in den vergangenen Jahren schier unerschwinglich geworden, Baukosten sowie Zinsen steigen seit geraumer Zeit, und jetzt ist auch noch die Finanzmarktaufsicht dahergekommen und hat die Hürden bei Kreditvergaben erhöht. Das mag sachlich vernünftig sin. Es haut sehr vielen Menschen den Traum vom Eigenheim aber erst recht zusammen.

Folgen sind messbar: Laut Nationalbank sind im November den vierten Monat in Folge kaum mehr als eine Milliarde Euro an Wohnbaukrediten neu vergeben worden. Das ist deutlich weniger als in der Vergangenheit. Wobei eben auch die Finanzierung grundsätzlich viel anspruchsvoller geworden ist (höhere Baukosten, höhere Zinsen).

Für die ÖVP ist es auch vor diesem Hintergrund mit herkömmlichen Mitteln schwer bis unmöglich geworden, politisch erfolgreich zu sein. Das Meinungsforschungsinstitut Integral stellte in seiner jüngsten Sinus-Milieu-Studie fest, dass „die alte, staatstragende Mitte, deren zentrale Leitmotive ‚Stabilität‘ und ‚Normalität‘ waren, in dieser Form nicht mehr existiert“. Abgelöst werde sie „durch ein Nostalgisch-Bürgerliches Milieu, das die vermeintliche ‚Ordnung der Vergangenheit‘ wieder herstellen möchte und zum Sprachrohr des überforderten und unzufriedenen Teils unserer Gesellschaft wird. Es bildet sich Reaktanz gegen die Eliten heraus und zahlreiche Fakten werden angezweifelt.“ Hier dockt die FPÖ an. Oder hat es die türkise ÖVP von Sebastian Kurz mit vorübergehendem Wahlerfolg getan.

Es fällt – wie hier berichtet – auch in der jüngsten Untersuchung der Statistik Austria zu Krisenfolgen auf, dass die Abstiegsängste in der Mitte der Gesellschaft besonders groß sind: Hier ist der Anteil der Menschen am höchsten, die davon ausgehen, dass sich die Wirtschaftslage verschlechtern wird in absehbarer Zeit. Was wiederum bedeutet, dass die Leute auch Verschlechterungen für sich selbst befürchten.

Mit herkömmlichen Mitteln lässt sich dem nicht begegnen. In der Vergangenheit konnten ÖVP, aber auch SPÖ mit unterschiedlichen Zugängen eine gewisse existenzielle Sicherheit sowie Aufstiegsmöglichkeiten für eine Masse garantieren. Zuletzt haben beide aus unterschiedlichen Positionen (Regierung, Opposition) heraus und mit unterschiedlichen Zugängen versucht, das bei zunehmenden Widrigkeiten (Teuerung) fortzusetzen. Das reicht jedoch nicht mehr, um einer Erwartungshaltung gerecht zu werden, die es in Teilen der Gesellschaft gibt. Siehe „Traum vom Eigenheim“. Gefragt wären neue Konzepte, was im Leben wichtig ist und was der Staat dazu beitragen kann.

Der in Teilen der Gesellschaft verankerten Erwartungshaltung, dass er alles klären muss, kann nur noch die FPÖ mit ihren schlichten Konzepten gerecht werden, die wie Sebastian Kurz zum Beispiel bei der „Schließung der Balkanroute“ eine ultimative Lösung vorgab. Sie redet stattdessen halt von einer Festung Österreich mit geschlossenen Grenzen. Oder erweckt den Eindruck, dass sich die Teuerung durch eine russlandfreundliche Politik und die Abschaffung diverser Steuern aus der Welt schaffen lassen würde.

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