ANALYSE. Grüne, aber auch NEOS, wären gut beraten, sich nicht länger für eine Regierungsbeteiligung anzudienen.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die „Altparteien“ SPÖ und ÖVP sind wieder ziemlich groß da. Und auch die Freiheitlichen könnten bei der Nationalratswahl am 15. Oktober zulegen, sodass sich im Anschluss daran – aus heutiger Sicht – eine Zweiparteienkoalition allemal ausgeht. Spielend.
Auf den ersten Blick ist das ein Problem für die übrigen Parteien: Sie haben keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung. Und darüber kann auch das Werben von NEOS-Chef Matthias Strolz für Schwarz-Grün-Pink nicht hinwegtäuschen. Es ist bemüht, kann jedoch nicht überzeugen: Wozu soll sich Sebastian Kurz (ÖVP) nach einem Wahlsieg gleich zwei, noch dazu recht unterschiedliche Partner ohne jegliche Regierungserfahrung auf Bundesebene antun? Letzteres ist schon bei einem, nämlich der FPÖ, die ihm noch dazu in der für ihn zentralen Flüchtlingspolitik nähersteht, ein Risiko. Das reicht im Fall des Falles.
Nein, das wird nix. Grüne und NEOS wären daher gut beraten, sich nicht länger für eine Regierungsbeteiligung anzudienen. Ja, sie hätten sogar die Chance, sich als wählbare Opposition anzubieten. Wobei man jetzt nicht so weit gehen muss, ihnen den abgedroschenen Slogan „Macht braucht Kontrolle“ zu empfehlen. Es ist viel einfacher: Bei weitem nicht jeder Österreicher will einen Kanzler oder Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ); einen solchen aber könnte er bekommen, wenn er rot oder schwarz wählt. Auch nicht jeder Österreicher will Christian Kern (SPÖ) oder Kurz am Ruder. Und für sie alle könnte es bei einem Urnengang daher nur eine Art Sicherheitsalternative geben: grün oder pink wählen.
Wobei sie ja nicht sagen müssen, dass sie mit Kurz nicht wollen und auch sonst jegliche Regierungsverantwortung meiden.
Gerade für die Grünen wäre ein solcher Wechselschritt natürlich eine Zäsur: Seit 2002 bemühen sie sich um eine Regierungsbeteiligung. Alexander Van der Bellen hat das so sehr verinnerlicht, dass es ihm 2016 geholfen hat, als parteiübergreifender Präsidentschaftskandidat, der in heiklen Fragen schon einmal Zugeständnisse macht, erfolgreich zu sein. Stichwort Heimat. Und so weiter und so fort.
Genau dieser Weg wird den Grünen unter den gegebenen Umständen jedoch eher zum Verhängnis: Recht pragmatisch sind zumindest auch Kurz und Kern. Ja, man kann annehmen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil bisheriger Grün-Wähler Kurz und Kern so sympathisch finden, dass sie mit dem Gedanken spielen, einen der beiden zu unterstützen.
Für die NEOS ist Kurz da ein besonders gefährlicher Mitbewerber: Ein Viertel ihrer Wähler kam vor vier Jahren von der ÖVP und dieses Viertel könnte es wegen Kurz nun wieder dorthin zurückziehen. Schön für die Volkspartei, tödlich für die NEOS. Für sie ist es überlebensnotwendig, eine Trennlinie zu ziehen.
Wobei sie ja nicht sagen müssen, dass sie mit Kurz nicht wollen und auch sonst jegliche Regierungsverantwortung meiden. Eleganter und wirkungsvoller wäre es, wenn sie Positionen bezögen, die es Kurz unmöglich machen, sich auf sie einzulassen. Ähnliches gilt im Übrigen für die Grünen, auch im Umgang mit Kern.
>> dieSubstanz.at täglich. Gratis. >> Zum Newsletter