Doskozil am Sprung

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ANALYSE. Der Burgenländer inszeniert sich wie nie zuvor als Macher der SPÖ. Für Rendi-Wagner und seine Kritiker wird’s eng. Zumal der Druck für eine Neuaufstellung der Partei riesig ist.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist der starke Mann der österreichischen Sozialdemokratie. Wie Herbert Kickl in der FPÖ nützt er den Moment, um sich als solcher in der SPÖ zumindest wirkungsvoll zu inszenieren. Über allem steht ja die Möglichkeit, dass es bald Neuwahlen geben könnte. Kickl hatte es insofern eilig, als seine Partei unter Führung von Norbert Hofer nicht besonders gut aufgestellt war; sie lag kaum über ihrem schlechten Wahlergebnis von 2019. So ähnlich ist es bei der SPÖ: Bessere Umfragewerte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie trotz vermeintlicher ÖVP-Krise erstens weit weg von Platz eins ist und zweitens noch immer unter ihrem Wahlergebnis von 2017 liegt; das war ihr zweitschlechtestes Ergebnis überhaupt.

Man könnte lang und breit darüber diskutieren, wie sehr dies in der Verantwortung der Bundesvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner liegt; oder wie viel andererseits ihre Widersacher dazu beitragen. Es ist müßig: Die Partei steht dort, wo sie steht, und sie ist vor allem auch gespalten. Die 75 Prozent, die Rendi-Wagner bei der Bestätigung im Amt Ende Juni erhalten hat, mögen gewissermaßen eine überzeugte Dreiviertelmehrheit für sie gewesen sein. Vernichtend sind jedoch die 25 Prozent gegen sie: Hier hat sich ein Viertel vom Pflichtprogramm verabschiedet, wonach bei allen Vorbehalten nach außen hin immer Geschlossenheit zu demonstrieren ist. Das war einmal ein Gesetz. Heute wird darauf gepfiffen. Das ist ein Alarmsignal für die Partei. So wird sie keine erfolgreiche Wahlbewegung zusammenbringen können.

Hans Peter Doskozil hat nun eine (möglicherweise) entscheidende Phase eingeläutet. In einem „Kurier“-Interview ließ er am Wochenende zwar wissen, dass er die Strategie von Rendi-Wagner nicht mehr kommentiere. Zugleich aber erklärte er unter anderem, dass es nicht sein könne, dass man bei einer Thematik, die wie die Tötung der 13-jährigen Leonie „grundsätzliche Fragen der Asyl-, Migrations- und Gesellschaftspolitik aufwirft, sich so zurückhält“; oder dass ihm der Vorstoß für beschleunigte Einbürgerungen unter bestimmten Voraussetzungen „weh tut“: Das waren zwei direkte Spitzen gegen den Kurs, den Rendi-Wagner zu verantworten hat.

Bis zu dieser Stelle ist lediglich ausgeführt, was Doskozil vorausschickte, um wie auf eine rhetorische Frage hin Zustimmung zu sammeln. Viel bemerkenswerter ist, was im Interview noch kommt: Doskozil berichtete von Mitarbeitern in seinem Kabinett als Verteidigungsminister, „die davon beseelt waren, (den damaligen Bundeskanzler und SPÖ-Chef) Christian Kern (2016/2017) zu bekämpfen“.

Das ist eine Anspielung auf ein ungelöstes Grundproblem der SPÖ: Werner Faymann wurde vor fünf Jahren gestürzt. Das hinterließ in Teilen offene Wunden und Rachegelüste, die bis heute nicht aufgelöst sind. Weder Kern noch Rendi-Wagner haben Prozesse eingeleitet, um darüber hinwegzukommen. Das war und ist unverzeihlich.

Doskozil hat nun im Interview mit der Mitteilung überrascht, Kern als Berater in wirtschaftlichen Fragen gewonnen zu haben. Kern bestätigte eine lose Zusammenarbeit, bei der er Doskozil mit Rat und Tat zur Seite stehe. Das muss man sich einmal vorstellen: Kern und Doskozil waren einst das, was man unter „Parteifreunde“ versteht. Rendi-Wagner wiederum beerbte Kern auf dessen Wunsch hin an der SPÖ-Spitze. Heute ist Doskozil Rendi-Wagners größter „Parteifreund“.

Was Doskozil nun mit Kern gelungen ist, ist ein Signal für einen Brückenschlag. Nicht zu Rendi-Wagner, sondern zu Genossinnen und Genossen, die sich mit Kern um eine SPÖ mit deutlicher Urban-Mitte-Links-Orientierung bemüht haben.

Das ist eine Vorlage, wie sie gerade auch parteiinterne Kritiker des rechtspopulistischen Kurses des Burgenländers erst einmal zusammenbringen müssen. Wobei nicht damit zu rechnen ist, dass sie es schaffen: Die SPÖ-Krise hängt ja gerade auch damit zusammen, dass sich niemand dafür anbietet, Führungsverantwortung zu übernehmen – Doskozil ausgenommen.

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